© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Literaturgattung Wehrmachtsblätter: Der „Blaue Kammerherr“ als NS-Propagandist
Überraschend hetzefrei
(jr)

Mit dem Roman „Der Blaue Kammerherr“ (1949) gesellte sich Wolf von Niebelschütz (1913–1960) in der Nachkriegszeit fernab von der „Gruppe 47“ zu den „Unzeitgemäßen“, von denen heute der alle überragende Arno Schmidt und allenfalls noch der jetzt wiederentdeckte Albert Thelen gelesen werden. Obwohl weder sein „Kammerherr“ noch das übrige Werk des Journalisten, der sich in den Fünfzigern als Verfasser von Firmengeschichten ernährte, ein lautes Echo auslöste, kann so eine Figur der zweiten Reihe fruchtbare literar- und zeithistorische Sondierungen anstoßen. So führte Niebelschütz’ Tätigkeit als Redakteur von Wehrmachtsblättern den Germanisten Dominik Riedo zu einer unerforschten Quellengattung (Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, 160/2010). Die schlechte Überlieferung erschwerte indes vielversprechende Auswertungen dieses Genres. So fand Riedo weder im Freiburger Militärarchiv noch in einer Staatsbibliothek eine vollständige Reihe der Beiträge zur geistigen Betreuung der Truppe im Pariser Luftgaukommando XII, die von Niebelschütz fast vier Jahre belieferte. Anhand von 87 ermittelten Artikeln glaubte Riedo sich trotzdem zu erstaunlicher Milde legitimiert: „Hetzerische Sätze gegen Juden“ enthielten sie nicht, und wo sie NS-Propaganda böten, dürfe man dies von Niebelschütz nicht zurechnen, „da er die Arbeit als Soldat eben machen mußte“. www.uni-siegen.de

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