© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Düstere Aussichten
Wirtschaftsprognosen: Der „Global Risk Report“ des Weltwirtschaftsforums warnt vor Spätfolgen der Finanzkrise / Staatliche Zahlungsausfälle drohen
Marco Meng

In Vorbereitung des Treffens im schweizerischen Davos stellte das Weltwirtschaftsforum (WEF) in seinem „Global Risk Report 2011“ fest, daß drei Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise die Risiken keineswegs beseitigt sind, sondern im Gegenteil sogar noch weiter wachsen.

Die Folgen der Bankenkrise wurden demnach von den Regierungen mit so ungeheuren Mitteln abzuschwächen versucht, daß die Staaten selbst mittlerweile dadurch geschwächt sind und ihnen kaum noch Mittel zur Bewältigung kommender Krisen bleiben. In den meisten Industriestaaten befänden sich die Staatsfinanzen in einer kritischen Lage. Die Euro-Schuldenkrise koste immer mehr Geld. Staatliche Zahlungsausfälle gehörten daher zu den größten Bedrohungen für die Welt.

Ein weiteres Risiko sei die Ressourcensicherheit. Die die Probleme würden sich zuspitzen, weil die Nachfrage nach Wasser, Nahrung und Energie in den kommenden Jahren um 30 bis 50 Prozent steigen werde, warnen WEF-Experten. Eines der Grundprobleme sei die wachsende soziale Kluft zwischen den Ländern, aber auch innerhalb der Industriestaaten. Die Entscheidungsträger müßten deshalb, so der Risikoexperte Howard Kunreuther vom Wharton Center an der Universität von Pennsylvania, „ihren Hang zu schnellen oder kurzfristigen Lösungen ablegen und statt dessen langfristig denken“.

Die meisten Industrienationen verfolgten zudem keine nachhaltige Geldpolitik. Die Flut von billigem Geld, die aus dem Westen in die Schwellenländer dränge, könne zu Währungskriegen und einem Aufflammen des Protektionismus mit fatalen Folgen für die Weltwirtschaft führen, warnte der brasilianische Finanzminister Guido Mantega.

Abseits von Euro-Krisenstaaten wie Griechenland oder Irland stehen inzwischen auch Wohlstandsinseln wie Österreich auf finanziell wankendem Grund: Die Alpenrepublik mußte kürzlich bei auf elf Jahre laufenden Anleihen in Höhe von vier Milliarden Euro eine um 30 Prozent höhere Verzinsung als noch im Oktober 2010 gewähren. Auch Deutschland drohen höhere Zinsen – die Finanzierung des Euro-Rettungsschirms drückt auf die Bonität. Laut einer von Ernst & Young unter Führungskräften von 120 deutschen Banken durchgeführten Umfrage erwarten etwa die Hälfte der Bankmanager, daß demnächst zumindest ein Euro-Land zahlungsunfähig wird. Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) weiter Euroanleihen aufkauft – bisher im Wert von fast 75 Milliarden Euro – woher kommt das Geld? Was wird aus ihm? Das Bemühen, den Euro zu „retten“, mutiert immer offensichtlicher zu einer gigantischen Wertevernichtungsmaschinerie.

Ernst & Young kann sich dieses Szenario vorstellen: Sollte tatsächlich ein Euro-Land zahlungsunfähig werden, würde dies enorme Abschreibungen bei Banken und Versicherungen nach sich ziehen – die Finanzkrise würde sich also nach einer kurzen Pause wieder fortsetzen – mit noch gravierenderen Folgen. Während die Bundesregierung über die kommende „Vollbeschäftigung“ fabuliert, gibt es global gesehen kaum gute Wirtschaftsnachrichten. Die Inflation erfaßt die Euro-Zone, die Verbraucherpreise sind im Schnitt um 2,4 Prozent gestiegen, was über der EZB-Marke liegt, die nur bei einer Preissteigerung von knapp unter zwei Prozent noch von Preiswertstabilität spricht. Verbraucher spüren den zunehmenden Wertverfall des Euro, ob bei Kraftstoffen, Mieten oder Lebensmitteln.

Wen wundert es, daß von den aufstrebenden BRIC-Staaten ähnlich besorgniserregende Zahlen zu melden sind: in China liegt die Inflation inzwischen bei über fünf Prozent, in Brasilien, Indien und Rußland liegt der Geldwertverfall sogar bei sechs bis zehn Prozent.

Der „Global Risk Report 2011“ des WEF:  www.weforum.org

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