© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Strengste Kriterien der EU-Geschichte
Kroatien und die EU: Beitrittsverhandlungen auf der Zielgeraden / Abschluß noch in der ersten Jahreshälfte 2011 möglich
Alexander Rüstau

Das Europaparlament sieht die EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien auf der Zielgeraden. Die Abgeordneten des Auswärtigen Ausschusses nahmen am vergangenen Mittwoch den Bericht des sozialdemokratischen Vize-Fraktionschefs Hannes Swoboda mit 62 zu zwei Stimmen an. Somit könnten die Beitrittsverhandlungen noch in der ersten Jahreshälfte 2011 abgeschlossen werden. Der formelle Beitritt wäre dann abhängig vom Fortgang des Ratifizierungsprozesses in den Mitgliedsstaaten 2013 oder 2014 möglich.

Vor der Abstimmung betonte der FPÖ-Abgeordnete Andreas Mölzer die europäische und regionale Bedeutung des EU-Beitritts Kroatiens. Das Land sei kulturhistorisch in Mitteleuropa verankert und erfülle die Beitrittskriterien, wobei gerade das laufende Verfahren gegen Ex-Ministerpräsident Sanader Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung verdeutliche. Die Aufnahme Kroatiens in die EU dürfe jedoch zu keinem Beitritts-Automatismus für die Länder des Westbalkans werden; der Fehler der überhasteten Aufnahme Rumäniens und Bulgariens dürfe nicht wiederholt werden. Zuvor hatte Mölzer die Anlegung unterschiedlicher Maßstäbe bei Kroatien und der Türkei kritisiert. Während sich die EU-Kommission bei der Einhaltung der Menschenrechte gegenüber Ankara nachlässig zeige, werde von Kroatien die Einhaltung auf Punkt und Komma genau verlangt.

In der Tat wurde immer wieder versucht, die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien, das seit Mitte 2004 offizieller Beitrittskandidat ist, zu verzögern, zu blockieren oder gar in Frage zu stellen.  Zunächst wurde der Verhandlungsbeginn auf unbestimmte Zeit verschoben, da die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), Carla del Ponte, der Regierung in Zagreb mangelnde Zusammenarbeit bei der Fahndung nach dem Ex-General Ante Gotovina vorwarf. Die Beitrittsverhandlungen begannen erst im Oktober 2005, nach der Inhaftierung Gotovinas.

Im Dezember 2008 legte Slowenien ein Veto gegen das Eröffnen weiterer Verhandlungskapitel mit Kroatien ein. Hintergrund war der seit 1991 andauernde Streit um slowenische Gebietsansprüche in der Bucht von Piran (JF 20/09). Trotz der Mahnung der EU-Kommission, das Vetorecht der Mitgliedsstaaten nicht zur Lösung bilateraler Probleme zu mißbrauchen, dauerte die Blockade bis zum September 2009 an.

Zuletzt drohte der rumänische Außenminister Baconschi aufgrund der Vorbehalte Deutschlands und Frankreichs gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens mit der Blockade des EU-Beitritts Kroatiens, was jedoch Staatschef Basescu wenig später wieder relativierte.

Kroatiens Präsident Ivo Josipović bekräftigte das Ziel, den Beitrittsvertrag 2011 zu unterschreiben, um 2013 beitreten zu können. Am Rande eines Staatsbesuches des Präsidenten in Deutschland Mitte Januar begrüßte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bemühungen Kroatiens. Auch Ungarn, das den EU-Ratsvorsitz für die erste Jahreshälfte 2011 innehat, wolle den Beitritt Kroatiens bis Juli fixieren, so Premierminister Viktor Orbán vor dem EU-Parlament.

Der Vorsitzende des Kroatischen Weltkongresses in Deutschland (KWKD), Mijo Marić, hofft auf eine Vertragsunterzeichnung bis Mitte des Jahres. „Kroatien ist der am besten vorbereitete EU-Kandidat, führte die längsten Beitrittsverhandlungen und mußte die strengsten Aufnahmekriterien der EU-Geschichte erfüllen“, so Marić gegenüber der JF.

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