© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Virtuelle Realität
Bundeswehr I: Die Gorch-Fock-Affäre hat Guttenberg die Grenzen aufgezeigt
Paul Rosen

Der „Baron aus Bayern“, wie Gerhard Schröder den Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zu nennen pflegt, hat dünne Nerven bekommen. Den ihm verliehenen Karnevalsorden „Wider den tierischen Ernst“ will er nicht mehr persönlich entgegennehmen. Nachdem es die vergangenen zwei Jahre für den heute 39jährigen nur bergauf zu gehen schien, kommt Gegenwind für Guttenberg auf. 

Mit jedem Monat in der Bundesregierung stieg bisher die Beliebtheit des CSU-Politikers. Trotz der jüngsten kontrovers diskutierten Vorfälle in der Bundeswehr (JF 5/11) steht er weiter auf Rang eins der beliebten Politiker und damit weit vor Bundeskanzlerin Angela Merkel, als deren Nachfolger er bereits gehandelt wird. Außerdem gilt er als Nachfolger für Horst Seehofer im Amt des CSU-Chefs oder des bayerischen Ministerpräsidenten, bei vielen für beide Ämter. Guttenberg, so der an die Frühphase von Barack Obama erinnernde Eindruck, kann einfach alles.

Vor allem verstehen er und seine Ehefrau Stephanie sich auf den Umgang mit Medien. Beim gemeinsamen Auftritt der beiden in Afghanistan hätten die Sender am liebsten stundenlang direkt übertragen wie bei einer Königshochzeit. Die andere Seite der Medaille darf man nicht übersehen: „Guttenberg hebt ab“, beobachtete Hans-Ulrich Jörges im Stern. In der Tat scheint die Wahrnehmung Guttenbergs nur noch eine auf die Medien ausgerichtete zu sein: Morgens Frühstücksfernsehen schauen oder gleich dort auftreten, dann Pressespiegel des Ministeriums und zwischendurch ständig die Meldungen der Deutschen Presseagentur (dpa) lesen, die Grundlage der Berichterstattung für Zeitungen, Radio und Fernsehen sind. Verstetigt sich dort ein Tenor zum Beispiel in der Überschrift „Guttenberg unter Druck“, entsteht Handlungsbedarf. Der Minister meint, etwas tun zu müssen, um die Berichterstattung von der eigenen Person in eine andere Richtung zu lenken.

Wie sein in dieser Hinsicht großes Vorbild Schröder glaubt er, jede Auseinandersetzung mit Hilfe von „Bild, Bams und Glotze“ überstehen zu können. Und tatsächlich schenkte ihm die Bild-Zeitung die Schlagzeile „Guttenbergs Abwehrschlacht“ und tischte ihren Lesern in der Folge einige Schauermärchen von der „Gorch Fock“ auf, nachdem der Minister deren Kapitän gerade gefeuert hatte. „In der Nacht, zwischen Fulda und Esselbach, startete Minister Guttenberg die Gegenoffensive“, notierte ein Bild am Sonntag-Reporter bei 200 Stundenkilometern im gepanzerten Audi A 8 des Ministers im Geschwindigkeitsrausch. Nüchterner stellte die Frankfurter Allgemeine Zeitung später fest, entstanden sei „eine politisch-mediale Verbindung, die zumindest zeitweise den Charakter einer strategischen Partnerschaft trägt“.

Guttenberg hat – gefangen in der virtuellen Realität – stets gleiche Verhaltensmuster an den Tag gelegt. Als es im Fall des Bombardements des Tanklasters im afghanischen Kundus für ihn eng wurde, feuerte er Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert, die ihn angeblich unzureichend informiert hatten. Jetzt wurde Norbert Schatz, der Kapitän der Gorch Fock, gefeuert, ohne daß der Offizier gründlich angehört worden wäre. Altkanzler Helmut Schmidt empörte sich: „Zu den Regeln gehört beispielsweise auch, daß über niemanden der Stab gebrochen wird, ehe er angehört wurde.“ Aber Guttenbergs mediale Welt kennt keine Anhörungsfristen und keine Abwägung, sondern nur das schnelle, kernige Urteil. 

Für Guttenberg bedeuten die jüngsten Entwicklungen zweierlei: Das Vertrauen der Truppe hat er verloren. Der offene Brief der Gorch-Fock-Besatzung gegen ihn drückt die Stimmung nicht nur in der Marine aus. Auch im Bundestag wächst der Widerstand. Daß er gerade von den eigenen Leuten an das Sparziel von 8,4 Milliarden Euro für die Bundeswehr erinnert wird, ist gefährlich. Guttenberg hatte die Summe bei einer Kabinettsklausur ohne gründliche Prüfung angeboten und wurde zum Star des Wochenendes, weil die anderen Minister zäh ihre Haushalte zu verteidigen versuchten.

Jetzt holt ihn die Realität ein. Er kann die Einsparungen nicht liefern, weil er sich nie intensiv mit der Bundeswehr auseinandergesetzt hat. Wenn ihm weiter zugesetzt wird, wird er das machen, was alle Schauspieler nach einiger Zeit tun: die Bühne wechseln und das Glück woanders suchen, zum Beispiel in Bayern.

Foto: Guttenberg im Blick der Medien: Wachsender Widerstand

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