© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

Im Fokus von Genossen und Banausen
Ein reich bebildertes Werk erinnert an die in der DDR unterdrückte und verfemte Malerin und Grafikerin Ursula Luderer
Bernhard Knapstein

Die ideologischen Grenzen der DDR haben vieles im Dunkel gehalten, was ans Licht gehört. Dies gilt im besonderen Maße für das Werk von Künstlern, die sich nicht den rigiden Leitlinien des Sozialistischen Realismus zu unterwerfen vermochten und auch nicht die Flucht nach Westen antraten, um sich ihre künstlerische Freiheit zu erhalten.

So ist auch das Leben und Wirken der 1926 im sächsischen Schneeberg geborenen Malerin und Grafikerin Ursula Luderer (geborene Schäbitz) trotz eines umfangreichen Œuvres weitgehend unbekannt geblieben. Es ist ein Verdienst der Kunsthistorikerin Griseldis Gubelt, diese Künstlerin jetzt mit einer umfangreichen wissenschaftlichen Monographie dem Dunkel der verfemten Kunst entrissen zu haben. Gubelt beschreibt und belegt den Abschied der Kunst in der DDR von der Klassischen Moderne. Mit den Formalismuskampagnen sollten die Künstler ihrer „Geheimsprache“ und der spätbürgerlichen Dekadenz des Expressionismus entsagen, um sich ganz durch Hinwendung zum Sozialistischen Realismus dem neuen Welt- und Menschenbild zu unterwerfen.

Ursula Luderer stammt aus einem Elternhaus, in dem ihre Neigung gefördert wurde. So hat sie den Weg zur Malerin und Grafikerin über die Kunstschule für Textilindustrie Plauen (1943/44) und die Mal- und Zeichenschule Zwickau (1949–52) gefunden. In der Zwickauer Zeit begegnet sie Werken Barlachs, Chagalls und Ernst Beckmanns. Künstler, die ihr Werk nachhaltig beeinflussen werden. Luderer kann ihr Talent zunächst entfalten und bekommt erst ab 1951 die „ideologische Kontrolle“ zu spüren. Obwohl sie als überzeugte Christin und Anhängerin der Jungen Gemeinde nicht der FDJ beigetreten ist und daher auch keine klassische Hochschulausbildung genießen durfte, wird sie 1952 als freischaffende Künstlerin im Verband der Bildenden Künste (VBKD) aufgenommen.

Schon 1954 bekommt sie im VBKD-Arbeitskreis Aue erste Schwierigkeiten. Ihre ausgestellten Arbeiten werden in bezug auf Bildthematik und Formensprache systemgerecht kritisiert. Da die Kunstkritiker ihr Talent aber nicht negieren, wird ihr Werk als Ausdruck von Unsicherheit interpretiert. Die Kritik trifft sie nicht allein. Als hätte George Orwell Regie geführt, plädiert einmal die Chemnitzer Volksstimme, ohne ihren Namen zu nennen, für „eine ideologische Therapie, die im Kollektiv zu geschehen“ habe. Da Luderer aber bei den monatlichen Ideologie-Schulungen des VBKD fehlt, nimmt der Druck auf die Künstlerin weiter zu. Dem VBKD gilt Luderer mit ihren christlichen Motiven und ihrer Neigung zum Expressionismus als „ideologisches Leck“. 1959 verabschiedet der Verband ein neues Statut, das die ideologische Aufsicht der Künstler vorsieht. Noch im gleichen Jahr wird Luderers Mitgliedsausweis bis zur Klärung der Mitgliedschaft „einbehalten“ und nie wieder ausgehändigt. Das ist das offizielle Ende ihrer Künstlerlaufbahn in der DDR.

Zahlreiche verfemte Künstler haben in dieser Situation den Weg ins westliche Exil der Freiheit gewählt. Luderer, die seit 1958 mit einem evangelischen Pfarrer verheiratet ist, arbeitet indessen privat weiter und findet die Kirche als temporären Auftraggeber. Insbesondere die sakrale Glasmalerei wird sie über vier Dekaden beschäftigen. 64 Entwürfe werden von ihr realisiert. Formenstrenge und Farbintensität prägen ihr ausdrucksstarkes Werk, in dem die figürliche Darstellung im Vordergrund steht. Doch die künstlerische Präsenz allein im kirchlichen Raum und die daher geringe Rezeption verhindert zu Unrecht, daß ihr Bekanntheitsgrad wächst. Erst mit dem Fall der Mauer wird Luderers Werk mit eigenen Ausstellungen gewürdigt.

Ursula Luderer steht für all jene, die sich dem System verweigert und dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch zum Ausdruck gebracht haben. Ihre Kunst mag in den christlichen Nischen der DDR manchem Hoffnung gegeben haben, obwohl nur wenige ihrer Werke als direkte Kritik am Sozialismus verstanden werden können. Die gelebte Verweigerung des menschenverachtenden Sozialismus in der Kirche führt auf direktem Weg zur friedlichen Revolution von 1989. Auch deshalb ist die Monographie zu Leben und Werk von Ursula Luderer ein wichtiges Stück im Puzzle der mitteldeutschen Kulturgeschichte.

Griseldis Gubelt: Ursula Luderer – Leben und Werk. Eine verfemte Malerin und Grafikerin. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2010, gebunden, 256 Seiten, Abbildungen, 59 Euro

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