© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

Der Kampf gegen die Macht der Fed hat begonnen
USA: Die republikanischen Kongreßabgeordneten Ron und Rand Paul wollen einschneidende Reformen des US-Finanzsystems durchsetzen
Elliot Neaman

Dem langjährigen Goldman-Sachs-Generaldirektor und späteren US-Finanzminister Henry Paulson kann man wahrhaftig keine Neigung zum Sozialismus nachsagen. Dennoch überzeugte er nach dem Kollaps von Lehman Brothers im September 2008 den damaligen Präsidenten George W. Bush davon, daß die amerikanische und womöglich gar die Weltwirtschaft kurz vor dem Zusammenbruch stehe und umgehend gerettet werden müsse. Das Ergebnis war das erste „Rettungspaket“: Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) stellte den Banken Milliarden-Kredite zur Verfügung. Später wurden die staatlichen Notkredite auf „systemrelevante“ Unternehmen wie Versicherungskonzerne, Hypothekenbanken und Autohersteller wie General Motors und Chrysler ausgeweitet.

Man stelle sich einmal vor, was passiert wäre, wenn die US-Regierung nicht in Panik geraten wäre, sondern abgewartet hätte, ob die Marktkräfte die Krise von selber bewältigen können. Natürlich weiß niemand sicher, was dabei herausgekommen wäre. Doch diejenigen, die behaupten, die Weltwirtschaft habe damals am Abgrund gestanden, müssen davon ausgehen, daß die betroffenen Firmen keinerlei Eigenwert hatten und folglich auch keinen Käufer gefunden hätten. Dabei hätte es zum richtigen Preis höchstwahrscheinlich sehr wohl Interessenten gegeben – in kleinerem Rahmen nutze etwa Warren Buffett mit seiner Firma Berkshire Hathaway die Krise, um Aktien und Vermögenswerte in Not geratener Unternehmen zum Schnäppchenpreis aufzukaufen.

Der texanische Kongreßabgeordnete Ron Paul fordert ein solches Vorgehen schon seit Anbeginn der Krise und wird dabei mittlerweile von seinem Sohn Rand Paul als Senator aus Kentucky unterstützt. Das Hauptargument der beiden US-Republikaner ist, daß die Gewährung von Staatskrediten in solch beispielloser Höhe langfristig den Dollar schwächt und zu mehr Schulden und einer galoppierenden Inflation führen muß. Sie berufen sich auf die Panik von 1907, als die Börse um 50 Prozent abstürzte und eine Reihe von Banken und Firmen zahlungsunfähig wurden. Damals gab es noch keine Fed. Die Krise wurde durch Initiativen von Privatunternehmern wie dem mächtigen Bankier J. P. Morgan und wie gehabt durch den Aufkauf notleidender Unternehmen zu Billigpreisen entschärft. Nach dem ersten Schock korrigierte das System sich von allein – und wenn man es zugelassen hätte, wäre auch die Krise von 2008/2009 aus eigener Kraft zu bewältigen gewesen, glauben die Pauls.

Das Hauptproblem sehen sie darin, daß die Fed ihre Dollar sozusagen aus dem Hut zaubern kann. Insofern führe sie sich auf wie ein europäischer Monarch, der eine Goldmünze durchschnitt und seine Untertanen zwang, die Hälften jeweils zum Preis einer ganzen Münze zu kaufen. Wer 1970 – kurz vor der Abschaffung des Goldstandards – Gold im Wert von 1.000 Dollar kaufte, ist heute um 26.000 Dollar reicher. Hätte er seine 1.000 Dollar in den Sparstrumpf gesteckt, wären sie heute dank Inflation nur noch halb soviel wert.

Wer es im politischen Tagesgeschäft zu etwas bringen will, kann sich kaum leisten, libertäre Grundsätze in der Praxis auszuprobieren, denn sie sind zwar logisch einwandfrei und in sich kohärent, lassen aber Realitäten außer acht: etwa, daß es nur Reiche stört, wenn die Währung an Wert verliert. Arme haben eher Schulden als Sparguthaben und finden Inflation deswegen gar nicht so schlimm. Staatliche Maßnahmen mögen erwiesenermaßen ineffizient sein – doch in den Demokratien von heute handeln Politiker nach den Forderungen ihrer Wähler, nicht nach den Prinzipien österreichischer Ökonomen wie Ludwig von Mises oder Friedrich August von Hayek. Schließlich wollen selbst Anhänger der Tea Party keinesfalls auf ihre staatlichen Rentenansprüche verzichten.

Ron Paul galt jahrelang als einsamer Rufer in der Wüste, dessen Ideen bizarr schienen. Doch der Aufstieg der Tea Party hat seiner Philosophie Geltung verschafft und ihn nun zum Vorsitzenden des Kongreßausschusses befördert, dem die Aufsicht über die Fed obliegt. Es dürfte interessant werden zu sehen, wer die Schlacht zwischen chaotischer Realität und reiner Wirtschaftslogik gewinnt. Libertäre Konstrukte lassen sich der Gesellschaft als Spiegel vorhalten, um die Ungereimtheiten des menschlichen Verhaltens aufzuzeigen. Das gilt etwa für die Staatsgarantie für Sparguthaben, die Franklin Delano Roosevelt 1935 unter dem Eindruck der Großen Depression einführte: Die unbeabsichtigte Folge war, daß Banken der Anreiz genommen wurde, vorsichtig mit dem Geld der Sparer umzugehen.

Die Pauls würden am liebsten zum unregulierten Laissez-faire-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts zurückkehren. Zwar stimmt es, daß es in den USA erst seit 1913 Zentralbanken gibt. Wie eine komplexe Weltwirtschaft funktionieren sollte, wenn Bundesstaaten wie Virginia und Georgia oder auch Privatkonzerne wie noch vor 150 Jahren ihre eigenen Währungen ausgeben dürften, ist indes schwer vorstellbar. Genausowenig scheint eine Rückkehr des Goldstandards realistisch, da eine Verknappung der Goldressourcen langfristig wiederum zu Kreditklemmen führen würde.

Durchaus denkbar scheint hingegen, daß Ron Paul in der kommenden Legislaturperiode entscheidende Reformen durchsetzen kann, beispielsweise durch eine Beschneidung der Macht der Fed, deren Kompetenzen in den vergangenen Jahren exponentiell erweitert worden sind. Die Kandidaten der Tea Party haben zudem geschworen, gegen eine Erhöhung der staatlichen Schuldengrenze zu stimmen. Die sogenannten Realisten bei Republikanern und Demokraten schreien Zeter und Mordio und warnen vor einem Weltuntergangsszenario, in dem Amerikas Gläubiger ihr Vertrauen in die US-Wirtschaft verlieren. Die direkte Auswirkung wäre freilich, daß der Kongreß gezwungen würde, starke Kürzungen vor allem in Tabu-Bereichen wie der Rentenversicherung und dem Verteidigungshaushalt vorzunehmen – das wäre genau das, was die US-Wirtschaft braucht, um sich zu erholen.

Die außenpolitischen Vorstellungen der Pauls werden sie wohl hingegen früher oder später auf Konfrontationskurs mit der neokonservativen Palin-Fraktion bringen. Die libertäre Position lautet, daß eine stehendes Heer einzig und allein zum Zweck der nationalen Selbstverteidigung notwendig sei. Offene Grenzen und Einwanderungsfreiheit zählen ebenfalls zu den libertären Grundprinzipien. Beide Pauls haben den Einmarsch im Irak kritisiert und fordern, die milliardenschweren Finanzhilfen an Verbündete wie Israel und die teure US-Militärpräsenz überall in der Welt zurückzufahren. Sarah Palin und ihre Anhänger sehen das eher umgekehrt – und ihre Aussagen zur israelischen Siedlungspolitik dürften Benjamin Netanjahu zum Erröten zu bringen.

Die unvermeidliche Kraftprobe zwischen den Pauls und dem republikanischen Establishment wird wohl mit einem Sieg der Gemäßigten enden. Der Senator hat bereits seine Bereitschaft signalisiert, im Gegenzug für ein Versprechen künftiger Budgetkürzungen in der Frage der Erhöhung der US-Schuldengrenze (sie liegt bei 14,3 Billionen Dollar) einzulenken – alles kleine Schritte, aber es bewegt sich immerhin etwas.

 

Prof. Dr. Elliot Neaman lehrt Neuere europäische Geschichte an der University of San Francisco.

 

Das Zentralbank-System der USA

Das Federal Reserve System (Fed) wurde 1913 vom US-Kongreß geschaffen. Dieses Zentralbank-System besteht aus dem siebenköpfigen Führungsgremium Board of Governors, dem Federal Open Market Committee (FOMC/entscheidet über Geldpolitik), zwölf regionalen Fed-Banken und einer Vielzahl von Mitgliedsbanken. Das Fed-Kapital wird von privaten US-Geschäftsbanken gehalten (JF 35/09). Das unterscheidet die Fed grundlegend von der Deutschen Bundesbank oder der Europäischen Zentralbank (EZB). Dennoch ist die Fed keine Privatbank, sondern ein Zwitter, denn der staatliche Einfluß ist hoch. Die sieben Gouverneure des Systems einschließlich des Vorsitzenden (derzeit Ben Bernanke) werden vom US-Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt. Die Ziele der Fed-Geldmarktpolitik (Federal Reserve-Gesetz) sind weiter definiert als die der Bundesbank: Außer für Preisstabilität soll die Fed auch für einen hohen Beschäftigungsstand und moderate langfristige Zinsen sorgen.

Die US-Zentralbank Fed im Internet: www.federalreserve.gov

Foto: Ron Paul bei Wahlkampfauftritt: Die lockere Geldpolitik der Fed ermöglichte die Exzesse der Finanzkrise

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