© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

Sprungbrett nach Europa
Griechenland: Angesichts politischer Untätigkeit steht Athen in der Flüchtlingsfrage vor dem Abgrund / EU soll helfen
Panayotis H. Doumas

Hat Griechenland die Lage noch im Griff? Wenn es nach Bundesinnenminister Thomas de Maizière geht, ist die Antwort: Nein. Unmißverständlich hat der CDU-Politiker das EU-Partnerland aufgefordert, die Lage der Flüchtlinge zu verbessern und parallel dazu einen Abschiebestopp für Asylbewerber nach Griechenland verfügt. Deutschland und die EU fürchten die Flüchtlingswelle. Doch wie ist die Situation vor Ort?

Schätzungen der Griechischen Stiftung für Europa- und Außenpolitik (ELIAMEP) zufolge, liegt die Zahl der illegalen Einwanderer in Griechenland bei derzeit ungefähr 470.000 Personen. Doch die Zahlen trügen, und die Dunkelziffer derjenigen, die sich erst einmal in Griechenland niedergelassen haben und derer, die auf gepackten Koffern gen Norden sitzen, ist hoch. Denn die Rechnungen basieren grundsätzlich darauf,  daß die Zahl der illegalen Einwanderer  an der jährlichen Summe von Festnahmen aufgrund illegalen Grenzübertrittes und der ausgeführten Abschiebungen gemessen wird. Was allerdings ein Manko hat. Denn die Zahl der Festnahmen kann weder die Zahl derjenigen, die erfolgreich die griechisch-türkische Grenze ohne Genehmigung übertraten, noch die Summe aller illegalen Einwanderer, die inzwischen schon das Land verlassen haben, ohne gefaßt zu werden, aufklären.

Allgemein wird die Quote zwischen festgenommenen illegalen Einwanderern und denen, die die Grenze unerkannt und unbestraft übertreten, mit eins zu vier berechnet. Bei den jährlich etwa 140.000 Festnahmen käme man auf über 500.000 illegale Einwanderer. Angaben, die Polizeivertreter nicht nachvollziehen wollen. Gegenüber der Tageszeitung Ta Nea sprachen sie von einem realen Verhältnis von eins zu sieben. Knapp eine Million. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Das Scheitern der Einwanderungspolitik der griechischen Regierungen der letzten 20 Jahre ist offensichtlich. Die zahlreichen willfährigen Legalisierungen der illegalen Einwanderer, die erleichterte Einbürgerung, ein vernachlässigter Grenzschutz und eine geringe Abschiebungsquote haben das Land in eine Sackgasse geführt. Griechenland erscheint als Paradies für Migranten und  als perfektes Sprungbrett. Und solange es so bleibt, wird sich wenig bewegen.

Denn allein schon aufgrund der akuten Finanznot wird Athen weder neue Grenzschutzbeamte einstellen, noch die existierenden Truppen besser ausrüsten können. Selbst der geplante 12,5 Kilometer lange Grenzzaun zur Türkei ist kaum zu finanzieren.

Auch politisch wird dem Migrationsproblem wenig entgegengesetzt. Im Gegenteil. Kontrollen auf der Straße gibt es selten, Schwarzarbeit wird so gut wie nie bekämpft, und festgenommene illegale Einwanderer werden nach einer Weile freigelassen. Eine ideale Umgebung.

„Ich glaube, daß Europa nun begriffen hat, daß das Problem der illegalen Einwanderung ein europäisches Problem ist“, erklärte dann auch Griechenlands Minister für Öffentliche Ordnung, Christos Papoutsis, in einem Gespräch mit der Zeitung Makedonia und wies so in Richtung Zukunft.

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