© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Ideelle Kerne in der ethischen Trümmerlandschaft
Mutmaßungen über einen bevorstehenden „Rechtsschwenk“ der Bundeswehr: Anton Maegerle wittert Carl Schmitts Denken in Flecktarn
Dirk Glaser

Ende 2010 hatte Lea Rosh‘ (Klarname: Edith Renate Ursula Rosh) „Förderkreis Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ zu einem „Benefiz-Dinner“ ins Berliner Hotel Adlon geladen. Erschienen war, wer in der Hauptstadt derzeit etwas darstellt, von Verteidigungsminister zu Guttenberg (CSU) als Tischredner bis zum Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) als Tischdekoration. Das nach US-Vorbild inszenierte, um kosmopolitischen Waldorf-Astoria-Glamour bemühte Spektakel sank hingegen unversehens unter das Niveau eines Feuerwehrballs in Kyritz an der Knatter herab, als man dem „Höhepunkt“ des Abends zustrebte: der Verleihung des „Preises für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus“. Der dafür Auserwählte hieß Heinz Baumeister, Hoteldirektor aus Bad Saarow. Tollkühn hatte dieser mutige Blockwart NPD-Chef Udo Voigt Hausverbot erteilt. Was ihn nun in die Heldengalerie der Guttenbergs und Lammerts beförderte.

Die Tribüne, die „Zeitschrift zum Verständnis des Judentums“ (Heft 196/2010), plaziert ihren „Dinner“-Report nicht zufällig direkt vor einer Polemik des seit Urzeiten im linksradikalen Spektrum agierenden Sykophanten Anton Maegerle (Klarname: Gernot Modery) über „Bundeswehr und Rechte“. Darin macht der selbsternannte „Rechtsextremismus-Experte“ auf einen „Rechtsschwenk“ aufmerksam, den zu Guttenbergs Umbau der Bundeswehr von der Wehrpflicht- zur Freiwilligenarmee bei den Streitkräften auslösen könnte. Da kann es nicht schaden, den smarten Franken an seinen Auftritt als Tischredner im Kampf gegen die rechte Hydra zu erinnern. Was Maegerle-Modery hingegen zu bieten hat, um seinen Alarmismus zu rechtfertigen, ist wie stets denkbar dürftig.

Im Kern ist es eine in seinem Gewerbe gern zitierte Umfrage von 2007, derzufolge 13 Prozent der Studenten an Bundeswehrhochschulen „Politikzielen der Neuen Rechten zustimmen“, 25 Prozent der jungen Offiziere die „Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland“ stoppen wollten und gar die Hälfte von ihnen – wie inzwischen vielleicht auch die Hälfte des sich der Stimme enthal-tenden Wahlvolks – „deutliche Zweifel an der Ausgestaltung unseres parlamentarischen Systems erkennen lassen“. Wären dies belastbare Daten, könnte man tatsächlich in den Jubel der Grazer Aula darüber einstimmen, daß sich „allen Traditionskappungen zum Trotz“ noch „konservative Strukturen jenseits der political correctness“, „ideelle Kerne in der ethischen Trümmerlandschaft der Postmoderne“ in und außerhalb der Kasernen erhalten hätten.

Da aber selbst unserem Tribüne-Autor und VS-Zuträger derartiges „Beweismaterial“ zu dünn schien, um den Baron im Bendler-Block auf erhöhte Wachsamkeit zu vergattern, legt er mit routinierter verschwörungstheoretischer Phantasie nach. Die üblichen Verdächtigen wie Franz und Reinhard Uhle-Wettler, Gerhard Hubatschek, Gerd Schultze-Rhonhof, Manfred Backerra und Reinhard Günzel marschieren auf, um „ultrarechte Militärs“ und ihre ideologische Minierarbeit in der Bundeswehr zu „entlarven“. Der inwischen etwas senil wirkende Maegerle-Modery ist einfallslos genug, hierzu primitivste Assoziationsketten abzuschnurren, um seine Probanden möglichst nahe an „die Holocaustleugner David Irving und Paul Rassinier“ heranzurücken. Pech nur, daß er seinen Fahndungsaufrufen die Pensionierungsdaten dieser „höchstrangigsten Militärs“ beifügen muß, von denen die ältesten vor zwanzig Jahren verabschiedet wurden. Einen heute irgendwie meßbaren Einfluß im Sinne eines suggerierten „Zurück zur Wehrmacht“ sind folglich nicht nachzuweisen.

Solch ein Befund könnte mächtig aufs Denunzianten-Gemüt drücken, wäre da nicht noch ein gefährlich aktiver Finsterling an den Hebeln der Macht zu enttarnen: Brigadegeneral Erich Vad, seit 2007 Leiter der Außen- und Sicherheitspolitischen Abteilung im Bundeskanzleramt. Hier findet Modery endlich ein „Täterprofil“, wie geschaffen zur Panikmache: Vad sei Kritiker von Reemtsmas Anti-Wehrmachtsrevue, JF-Autor, Referent des Instituts für Staatspolitik, Carl-Schmitt-Exeget. Und „Carl Schmits Denken“, so zitiert er die ächzende Rhetorik seines Gesinnungsgenossen Wolfgang Gessenharter über den „intellektuellen Zerstörer der Weimarer Republik und ‘Kronjuristen’ der Nazis“, lasse sich mit dem Grundgesetz „in keiner Weise in Harmonie bringen“.

Unermüdliche CS-Lektüre dürfte also demnächst dazu führen, daß General Vad mit jungen Offizieren der Bundeswehrhochschulen im schneidigen Tejero-Stil den Putsch wagt. Den Warner „Anton Maegerle“ sollte Lea Rosh daher schon einmal als heißen Anwärter auf ihren „Preis für Zivilcourage“ notieren, dessen Verleihung 2011 nach diesem Szenario freilich nur im Exil über die Tribüne ginge. www.tribuene-verlag.de

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