© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Wenn der Dichter zum Arzthelfer wird
… sind Mißverständnisse und Heiterkeit programmiert: Martin Walser wirft sich öffentlich für die FDP in die Bresche
Richard Stoltz

Dichter als Wahlhelfer sind faktisch immer eine ziemliche Verlegenheit, stiften meistens nur Mißverständnisse, erzeugen oft unfreiwillige Heiterkeit. Das war so bei den zahlreichen donnernden „Engagements“ von Günter Grass für die SPD, das ist jetzt so bei Martin Walser, der in der neuen Ausgabe des Focus in einem Exklusivbeitrag energisch auf den Tisch haut und kundgibt, bei den nächsten Wahlen werde er Guido Westerwelle und die FDP wählen, „trotz alledem!“ und „gerade deshalb!“

Ob der zwar liebenswerte, aber immer auch „umstrittene“ Walser damit der FDP wirklich Wählerstimmen zuführt? Grass seinerseits („Ich rat euch, SPD zu wählen“) hat der SPD nachweislich eher geschadet. Er wirkte wie ein knallroter Schal um Funktionärshälse, die es lieber allenfalls zartrötlich gehabt hätten, und verschreckte damit manchen Stammwähler. Der Schuß ging gewissermaßen nach hinten los.

Walser, dessen Artikel mit den Worten „Wie ich Westerwelle lieben lernte“ überschrieben ist, wirkt wie eine medizinische Halskrause um den Hals eines Patienten, der durch einige selbstverschuldete Unfälle so angeknackst ist, daß seine Wirbelsäule unbedingt gestützt werden muß, auch auf die Gefahr hin, daß er dann nicht mehr so hübsch aussieht wie damals, als ihm Walser noch nicht beigesprungen war.

Der Dichter als Arzthelfer, der um der puren Not willen alle ästhetischen Bedenken über Bord wirft. Dem geliebten Westerwelle wird das nicht helfen, kaum seiner Partei, der FDP. Ob es wenigstens dem Dichter und Wahlhelfer irgendwie nützt, ist schwer abzuschätzen. Dem Magazin Focus, das die Wal-sersche Suada abdruckte, scheint der Vorgang eher peinlich zu sein, wie man aus dem Editorial des Herausgebers Markwort schließen kann.

Fatalerweise kostet das Heft mit dem Walser-Aufsatz nur einen Euro statt wie sonst dreifünfzig. „Zur Feier unseres Erwachsenwerdens nach achtzehnjährigem Erscheinen“, wie es heißt. Viele Leser könnten aber genausogut glauben, die einmalige Verbilligung komme wegen Walser.

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