© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Bis der Rettungsballon platzt
Euro-Krise: Das Trauma der portugiesischen Staatsschulden hält an
Bernd-Thomas Ramb

Euro-gläubige Politiker stufen die jüngste Plazierung portugiesischer Staatsschuldenpapiere als erfolgreich ein. Die offizielle Erleichterung ist jedoch ebenso unangebracht wie voreilig. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Kreditaufnahme Portugals als Mogelpackung, die das wahre Schuldenproblem zu verbergen versucht. Das ärmste Altmitglied der EU hat im Moment zwar die Inanspruchnahme des Euro-Rettungsschirms vermieden, jedoch nur kurzfristig und unter entlarvenden Umständen.

Da ist zunächst das relativ geringe Volumen der portugiesischen Schuldenaufnahme: lediglich 1,25 Milliarden Euro wurden zur Erneuerung abgelaufener Schuldverschreibungen ausgeschrieben. Das strukturschwache 10,6-Millionen-Einwohner-Land benötigt jedoch allein in diesem Jahr neue Staatskredite in Höhe von mindestens 20 Milliarden Euro. In einem privatwirtschaftlichen Vergleich kann sich ein Häuslebauer kaum freuen, wenn er für den dringend benötigten Baukredit in Höhe von 200.000 Euro erfolgreich eine Bank gefunden hat, die ihm 12.500 Euro leiht. Gerettet ist damit so gut wie nichts. Die großen und entscheidenden Leihaktionen stehen für die einstige Kolonialmacht erst noch an.

Zum zweiten ist der am Finanzmarkt ausgehandelte Zinssatz zu beachten. Für die Staatspapiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren mußte eine jährliche Verzinsung von 6,7 Prozent zugesagt werden. Der Wert liegt knapp unter den als Schwellenwert angesehenen sieben Prozent. Ab dieser Höhe wird die Zinsbelastung eines Eurolandes als unerträglich eingestuft, so daß Hilfe von den anderen als erforderlich gilt. Bei den gleichzeitig emittierten Schuldenpapieren mit einer Laufzeit von vier Jahren mußte die portugiesische Finanzbehörde eine Verzinsung von 5,4 Prozent anbieten. Bei der vorangegangenen Schuldenaufnahme waren es nur 4,1 Prozent.

Dabei hat es nicht an Aktionen gefehlt, die zu einer indirekten Zinssubvention der portugiesischen Staatspapiere führten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte unmittelbar vor der portugiesischen Finanzauktion massiv deren alte Schuldentitel aufgekauft, um den Marktkurs dieser Papiere zu stützen. Wer heute alte portugiesische Staatspapiere vor deren Ablauftermin verkaufen will, muß hohe Kursabschläge akzeptieren, da diese mit Sätzen aus der Vergangenheit verzinst werden, die weit unter den aktuellen liegen. Der Käufer eines solchen Papiers ist nur dazu bereit, wenn der Kaufpreis entsprechend unterhalb des Nennwertes liegt.

Je mehr staatliche Altschuldenpapiere auf dem Finanzmarkt angeboten werden, um so tiefer fällt der Marktkurs und um so höher steigt der Marktzins, der auch für neuemittierte Schuldenpapiere maßgeblich ist. Kauft nun, wie geschehen, die EZB diese Papiere zum Nennwert auf, nimmt sie den Verkaufsdruck aus dem Finanzmarkt, stützt dadurch den Kurswert und senkt gleichzeitig den Marktzins. Trotz dieser Einflußnahme, die – milde formuliert – nicht zu den originären Aufgaben einer Zentralbank gehört, ist die Zinshöhe nicht gesunken. Jedoch wurde ein marktgerechter Anstieg verhindert.

Es ist zu bezweifeln, ob dieser Trick – kleines Emissionsvolumen bei gleichzeitigen Stützungskäufen der EZB – häufig wiederholt werden kann. Portugal müßte die letzte Aktion in diesem Jahr noch 15mal wiederholen. Außerdem müßte die wirtschaftliche Entwicklung auch tatsächlich der optimistischen Annahme der Regierung folgen. Sollte aber Portugal in der konjunkturellen Depression verharren, ist nach Ansicht der Finanzauguren eine staatliche Kreditaufnahme von 60 Milliarden Euro erforderlich.

Unmittelbar nach der portugiesischen Schuldenauktion wurde die Forderung nach einer Ausweitung des Euro-Rettungsschirms (EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso war bis 2004 der Premier Portugals) laut, obwohl doch Portugal und andere Länder wie Spanien und Italien gerade erst auf dessen Inanspruchnahme verzichteten. Der geheime Zweifel an der Wiederholbarkeit der als marktkonform getürkten Kreditaufnahme sitzt offensichtlich tief – auch bei den Euro-Rettern. Die Bewertung der Schirm-Ausweitung als einen „rein technischen Vorgang“ ist ebenso richtig wie fatal. Sie basiert auf der Tatsache, daß die von den Euroländern zur Verfügung gestellten Sicherheiten von 750 Milliarden Euro nicht vollständig zur Deckung offener Kreditwünsche maroder Teilnehmerländer verwendbar sind.

Die Rating-Agenturen stellen Beleihungsgrenzen fest, die mit der sinkenden Bonität der Teilnehmerländer fallen. Zum Vergleich: Wer sein Haus beleihen will, wird keinen Hypothekenkredit in Höhe des Verkehrswertes erhalten, sondern nur einen Bruchteil davon. Sinkt der Verkehrswert, dann sinkt auch der Betrag, der als Hypothek aufgenommen werden kann. Um einen bestimmten Beleihungswert aufrechtzuerhalten, sind die Euroländer gewissermaßen gezwungen, immer mehr Häuser zu belasten. Die Beleihungsgrenzen fallen aber nochmals, je mehr „marode Immobilien“ als Sicherheit angeboten werden.

Insgesamt gerät der Rettungsschirm dadurch in eine fatale Aufwärtsspirale: Je mehr zahlungsschwache Euroländer unterstützt werden müssen, um so schlechter werden die auch von ihnen im Rettungsschirm angebotenen Garantien bewertet und um so geringer ist der tatsächlich zur Rettung zur Verfügung stehende Betrag. In Mitleidenschaft wird zunehmend auch die Bonität der solideren Länder gezogen. Um den – langfristig sogar steigenden – Deckungsbetrag des Euro-Rettungsschirms aufrechtzuerhalten, muß die Gesamtsumme immer weiter aufgepumpt werden. Bis der Kreditballon platzt.

Foto: Schuldenkrise in der Euro-Zone: Portugal ist nicht das einzige EU-Land mit hohem Finanzierungsbedarf

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