© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Deutschland ruft zur Super-Wahl
Landtage: Die anstehenden Wahlen werden zum Stimmungsmesser
(JF)

Sieben Landesparlamente werden dieses Jahr neu gewählt – in vier Flächenländern und drei Stadtstaaten. Der Reigen beginnt in Hamburg, wo am 20. Februar außerplanmäßig an die Urnen gerufen wird. Nachdem Ole von Beust überraschend die Niederlage des schwarz-grünen Senats bei der Volksabstimmung über die Schulreform zum Anlaß für seinen Rücktritt genommen hatte, zerbrach Ende November unter seinem Nachfolger Christoph Ahlhaus der Pakt mit den Grün-Alternativen.

Kurios ist indes, daß ausgerechnet die Union unter der Beschwörung, das „bürgerliche Lager“ nicht weiter zu spalten, den Initiator des erfolgreichen Volksbegehrens davon abhalten konnte, mit einer eigenen politischen Formation anzutreten; der prominente Bürger-Rebell Walter Scheuerl kandidiert stattdessen für die CDU, gegen deren Politik er vor einem halben Jahr noch zu Felde gezogen war. Viel nützen wird dieser Coup jedoch wohl nicht: Glaubt man den Umfragen, kann die SPD den Senat in ihrer einstigen Hochburg zurückerobern, fast genau zehn Jahre nachdem sie vor allem durch den Erfolg der „rechtspopulistischen“ Schill-Partei abgewählt worden war.

Anders sieht es in Bremen aus. Hier haben die „Bürger in Wut“ gute Chancen, ihr eines Mandat nach dem 22. Mai in eine vollständige Fraktion auszubauen. 

Ungünstig ist die Lage für die FDP, was sich auch auf  die Koalition im Bund auswirken wird. Die Liberalen müssen noch zittern, ob sie den Wiedereinzug in die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz schaffen. Daß sie es in die Bürgerschaften von Hamburg und Bremen schaffen, gilt nach aktuellen Umfragen als unwahrscheinlich.

Potential für Protestparteien gibt es sicherlich genug, das zeigte nicht zuletzt die Sarrazin-Debatte. Doch die Hürden, die neue politische Formationen schon vor dem Wahlantritt nehmen müssen, sind hoch.

 

Hamburg

Die Bürgerschaft sowie die Bezirksversammlungen werden am 20. Februar gewählt.

Am 22. Januar entscheidet der Landeswahlausschuß über die Wahlvorschläge. 26 Parteien, Gruppierungen und Einzelbewerber wollen antreten.

Seit dem Bruch der schwarz-grünen Koalition am 28. November 2010 regiert eine CDU-Minderheitsregierung.

Das Debakel um die gescheiterte schwarz-grüne Schulreform hat die CDU viele Sympathien gekostet. Der Initiator des Volksentscheides, Walter Scheuerl, verzichtete jedoch darauf, eine neue Partei zu gründen, und kandidiert nun für die Union. Auf dem Wahlzettel stehen jedoch neben zwei „Freien Wähler“-Formationen auch eine „Sarazzistische Volkspartei“ (sic!) sowie die NPD. Die Deutschen Konservativen wurden jedoch nicht zugelassen, da sie die Wahlunterlagen nicht fristgerecht eingereicht hatten.

 

Bremen

Am 22. Mai werden die Bürgerschaft, die Beiräte sowie die Stadtverordnetenversammlung (Bremerhaven) gewählt. 

Bis zum 29. März müssen die Wahlvorschläge eingereicht werden. Parteien, die weder in der Bürgerschaft noch im Bundestag vertreten sind, müssen bis zum 8. März ihre Unterlagen beim Wahlleiter eingereicht haben, darunter mindestens 401 Unterschriften (für Bremen) oder 86 Unterstützerunterschriften (für Bremerhaven).

Zur Zeit regiert in der Hansestadt eine rot-grüne Koalition unter Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD).

Hohe Verschuldung und Arbeitslosigkeit sind Dauerthema im Stadtstaat. Für Aufsehen sorgte in der Vergangenheit das kriminelle Treiben einer Großfamilie aus dem Libanon. Laut einer aktuellen Umfrage hat die Gruppierung „Bürger in Wut“ des Bürgerschaftsabgeordneten Jan Timke gute Chancen, diesmal in Fraktionsstärke ins Parlament einzuziehen.

 

Rheinland-Pfalz

Am 27. März wird der Landtag gewählt.

Bis zum 3. Februar müssen die Wahlvorschläge eingereicht werden. Parteien, die weder im Landtag noch im Bundestag vertreten sind, müssen pro Wahlkreiskandidatur 125 beziehungsweise für die Landesliste 2.040 Unterstützerunterschriften vorlegen.

In Rheinland-Pfalz regiert Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) mit einer absoluten Mehrheit.

Eine Umfrage vom Juni vergangenen Jahres wies „Rechten“ ein Potential von 3 Prozent zu. Die Republikaner wollen mit einer Landesliste sowie Direktkandidaten antreten. 

 

Mecklenburg-Vorpommern

Der Landtag wird am 4. September neu gewählt.

Bis zum 19. Mai müssen Parteien, die weder im Landtag noch im Bundestag vertreten sind, für jeden Kreiswahlvorschlag 100 Unterstützerunterschriften einreichen.

Regierungschef ist Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), der eine große Koalition mit der CDU führt.

Die Lücke zwischen CDU einerseits und NPD andererseits wird aller Voraussicht nach nicht geschlossen. Der NPD könnte der Wiedereinzug in den Landtag gelingen; die jüngste Umfrage von Infratest datiert jedoch vom Mai 2009 und sieht die Partei bei 4 Prozent.

 

Berlin

Das Abgeordnetenhaus wird am 18. September gewählt.

Bis zum 12. Juli müssen die Landeslisten eingereicht werden. Parteien, die weder im Abgeordnetenhaus noch im Bundestag vertreten sind, benötigen 2.200 Unterstützerunterschriften.

In Berlin steht Klaus Wowereit (SPD) als Regierender Bürgermeister an der Spitze einer Koalition mit der Linkspartei.

Spätestens seit der Sarrazin-Debatte liegen die Probleme gerade bei Integration und Bildung auf der Hand. Hier wollen sich vor allem zwei dezidiert islamkritische politische Formationen in Stellung bringen: „Die Freiheit“ des ehemaligen CDU-Abgeordnetenhaus-Mitglieds René Stadtkewitz sowie „Pro Deutschland“.

 

Sachsen-Anhalt

Der Landtag wird am 20. März gewählt.

Bis zum 31. Januar können Parteien und Einzelbewerber ihre Listenvorschläge einreichen. Die Frist für Unterstützerunterschriften lief am 18. Januar ab.

Seit 2006 regiert eine schwarz-rote Koalition unter Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU).

Im August vergangenen Jahres soll laut Medienberichten eine Umfrage im Auftrag der Linkspartei ermittelt haben, daß die „Sonstigen“ auf insgesamt 9 Prozent kommen; davon könnten 4 bis 5 Prozent auf die NPD entfallen, die zuletzt durch den Übertritt eines ehemaligen SPD-Bürgermeisters für Furore sorgte.

 

Baden-Württemberg

Am 27. März finden die Landtagswahlen statt.

Parteien, die weder im Landtag noch im Bundestag vertreten sind, müssen bis zum 27. Januar pro Wahlkreis, in dem sie kandidieren möchten, 150 Unterstützerunterschriften vorweisen.

Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) ist seit knapp einem Jahr im Amt, Koalitionspartner ist die FDP.

In einer Umfrage vom Dezember 2010 rangieren alle „Sonstigen“ bei 3 Prozent. Die Chancen für die Republikaner, nach zehnjähriger Unterbrechung wieder in den Landtag einzuziehen, sind nicht besonders gut.  Vom Streit um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 haben vor allem die Grünen profitiert, die in aktuellen Umfragen auf 29 Prozent kommen und damit zehn Punkte vor der SPD liegen.  Die FDP muß um den Wiedereinzug in den Landtag bangen.

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