© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Qual-O-Mat
Sachsen-Anhalt: Die Landeszentrale für politische Bildung beschneidet ihr Angebot
Hans Christians

Demokratie kann manchmal ganz schön anstrengend sein. Vor allem, wenn am Ende nicht das gewünschte Ergebnis herauskommt. Solche Befürchtungen hegten vor allem die politischen Tugendwächter in Sachsen-Anhalt. Dort wird Ende März ein neuer Landtag gewählt. Und glaubt man den Meinungsumfragen, dann hat die NPD realistische Chancen, nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern in einen dritten mitteldeutschen Landtag einzuziehen.

Dies gefällt natürlich nicht jedem. Und so haben sich die Landeszentrale für politische Bildung sowie die im Landtag vertretenen Parteien darauf verständigt, keinen Wahl-O-Mat anzubieten. Bei diesem handelt es sich um ein eher harmloses politisches Spielchen, welches seit 2002 vor jeder Bundes-, Landtags- und Europawahl im Internet angeboten wird. Interessierte Bürger haben dabei die Möglichkeit, Fragen aus bestimmten Themenfeldern zu beantworten, um hinterher mitgeteilt zu bekommen, welche zur Wahl stehende Partei ihren Ansichten am nächsten kommt. Die Mehrheit der Kuratoriumsmitglieder in Sachsen-Anhalt hegte nun die Befürchtung, daß gerade junge Wähler eher verschreckt als aufgeklärt werden, wenn der Wahl-O-Mat ihnen die NPD als Partei empfohlen hätte. Kurzfristige Gedankenspiele, die NPD aus der Online-Wahlhilfe zu entfernen, wurden verworfen, nachdem diese mit dem Gang zum Richter drohten. Das Verwaltungsgericht München hatte schon vor Jahren entschieden, daß die politischen Bildungseinrichtungen zur Wahl stehende Parteien nicht einfach aus ihrem Angebot streichen könnten. Da man diese Blamage fürchtete und sich die anderen Parteien partout nicht mit der NPD messen lassen wollten, entschied man sich zur Absage.

Vor demselben Problem stand man auch in Bremen, wo im kommenden Herbst gewählt wird. Herbert Wulfekuhl, der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, gab sich zunächst ziemlich unaufgeregt: „Man sollte aus der NPD keinen Fortsetzungsroman schreiben und die Partei auch nicht wichtiger machen als sie ist.“ In der Tat gab es auch in der Hansestadt Bestrebungen, die Partei außen vor zu lassen. Dies erscheint vor allem deshalb überraschend, weil es dem kleinen, seit Jahren zerstrittenen Verband kaum zuzutrauen sein dürfte, ein nennenswertes Ergebnis zu erzielen. Doch vor allem die örtliche SPD zeigte sich wenig kooperativ. Nach ziemlich zähen Diskussionen entschied man sich schließlich für einen Kompromiß. Zusätzliche Angebote wie die bessere Verlinkung von Infos zur Einordnung der Wahl-O-Mat-Ergebnisse sowie eine eigene Diskussionsplattform nahm das Kuratorium der Landeszentrale schließlich in die Anwendung auf.

Diese Hilfestellung für „NPD-geschädigte Teilnehmer“ konnte schließlich auch die Genossen besänftigen. „Die Debatte ist für uns damit beendet“, kommentierte Bremens SPD-Chef Andreas Bovenschulte. Auch die über einen Boykott: „Wir halten das für ein wichtiges Instrument gerade für junge Leute und machen mit“, sagte er. Es ist ein aus der Not geborener Kompromiß. Im Vorfeld gab es nämlich Versuche, den Wahl-O-mat aus der Verantwortung der staatlich geförderten politischen Bildungseinrichtungen zu nehmen und auf einen privaten Träger zu übertragen.

Dies erwies sich aber als unmöglich:  Denn die Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin hat die Markenrechte am Wahl-O-Mat und kann ihn nicht an Dritte übertragen. Darüber hinaus gibt es seit der vergangenen Europawahl verbindliche Regelungen. Alle vom jeweiligen Wahlleiter zugelassenen Parteien müssen in der Anwendung berücksichtigt werden. Die NPD kann sich jedenfalls über kostenlose Werbung freuen. Alleine die öffentliche Debatte dürfte ihr mehr Aufmerksamkeit beschert  haben, als dies jeder Wahl-O-Mat vermocht hätte. Dies sieht der Bremer LPB-Chef Wulfekuhl genauso: „Ich kann nur mit dem Kopf schütteln, wenn in so einem kleinen Internet-Tool wie dem Wahl-O-Mat das Risiko gesehen wird, die NPD könnte gesellschaftsfähig gemacht werden.“

Weitere Informationen im Internet unter:  www.wahlomat.de

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