© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Arthur Sarnitz. Der russische Architekt will das alte Königsberg wiederaufbauen
Der Visionär
Sverre Schacht

Gut zweihundert Gebäude hat Arthur Sarnitz seit 2006 gesammelt. Viele sollen folgen – Fotos und Postkarten sind die Leidenschaft des Russen mit estnischen Vorfahren, der auf deutsch über seinen Traum spricht, das alte Königsberg wiedererstehen zu lassen – erst am Computer, dann im Film und schließlich in der Realität: „Seit meiner Kindheit habe ich den Unterschied gesehen – mit wieviel Liebe, Talent und Sinn für das Praktische in Königsberg jahrhundertelang gebaut wurde. Mit Wehmut und blutendem Herzen beobachte ich seine Verwandlung, Verschwinden und sogar Tod.“

Mit 15 jungen Mitarbeitern schafft der renommierte Architekt nach Archivaufnahmen ein dreidimensionales digitales Modell. Möglichst viele Landsleute sollen von der alten Schönheit  Königsbergs erfahren: „Schon gibt es keinen Politiker mehr, der sagt, man darf so was nicht tun. Und wenn die erst den Film sehen, werden sie sagen: ‘Das ist ja weit interessanter, als die Stadt mit großen neuen Kästen vollzustellen.’“ Auf seiner Netzseite präsentiert Sarnitz die für immer verloren geglaubten Häuserfluchten.

Die Leidenschaft des bärtigen Baumeisters ist um so ungewöhnlicher, da der 1966 Geborene seine Vaterstadt nur als Kaliningrad kennt. Sarnitz treibt die Idee mit Eigenmitteln voran. Die Chancen beschreibt er so: „Angesichts vorläufiger Vereinbarungen ist der Bauherr bereit, nur unsere Architektur- und Designvorlagen zu betrachten.“ Die „notwendige Suche des historischen Materials“ ist dabei „unser Problem“. Neben seinen Alltagsaufträgen nutzt er jede freie Minute für seine Vision, doch ist vorläufig ein Endpunkt erreicht: „Wir glauben alles getan zu haben, was unter diesen Bedingungen in unseren Kräften liegt.“ Jetzt sei deutsches Engagement gefragt.

Sarnitz, wegen der hohen Kosten oft als Phantast bezeichnet, beweist Pragmatismus. Seine Bauten sollen „außen ganz historisch und innen modern“ sein. Ein Stadtmodell (Maßstab 1:200), das der Königsberger Horst Dühring in 26 Jahren baute, um die Heimat festzuhalten, hat Sarnitz in die Pregelstadt geholt. „Die Seele der Stadt lebt in diesem Modell weiter“, sagt er.

Mit seinem Büro Arthur Sarnitz Königsberg GmbH erbaute er in seiner Heimatstadt das Europa-Zentrum – 60.000 Quadratmeter Einkaufsfläche. Gleich nach Fertigstellung zeigte er dort Dührings Riesen-Modell. „Primitiver Imitation eines abstrakten historisierenden Stils“ erteilt er dagegen eine Absage. Zusagen wechselnder Gouverneure und Wladimir Putins brachten bisher wenig. Dennoch bleibt er optimistisch: „Die Entscheidung über einen Wiederaufbau steht inzwischen unmittelbar vor dem Projektierungsstadium.“ Und: „Ohne zu übertreiben, hier geht es um eine historische Chance für Königsberg – und die Realisierung eines der größten Projekte dieser Art in ganz Europa.“ www.altstadt.ru

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