© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Debatte um Ursula Sarrazin
Ein Lob der strengen Lehrer
Dieter Stein

Waren Sie schon einmal auf einem Elternabend? Bei mir ist nach den letzten Besuchen meine Hochachtung vor Lehrern gewachsen. Vor Lehrern, die sich nicht entmutigen lassen und Zeitgeist, Vorgesetzten – und vor allem Eltern zum Trotz an ihrem Berufsethos festhalten. Lehrer, die Kindern etwas abverlangen und sich durchzusetzen verstehen.

Ursula Sarrazin, die Ehefrau des umstrittenen und umjubelten Autors von „Deutschland schafft sich ab“, ist offenbar eine solche pflichtbewußte Lehrerin, die an einer Grundschule im Berliner Westen dient. Seit Wochen ist sie Gegenstand einer „Sarrazin-Debatte II“: Es geht um Elternbeschwerden über ihren Erziehungsstil, es geht um Mobbing gegen sie, es geht um Sippenhaftung für eine Frau, deren Mann im politischen Rampenlicht steht und zum Feindbild der politischen Klasse und linker Medien geworden ist.

Frau Sarrazin hat durch ihre praktische Berufserfahrung Material geliefert, das ihr Mann für sein Buch verwertete. Er geißelt dort das lastende „Erbe der Achtundsechziger“, das zur Ächtung von Leistungsorientierung, Disziplin und Lernen an der Schule geführt habe.  Bequemlichkeit von Lehrern und Eltern führe dazu, daß dem Kind nicht „das ihm Mögliche abgefordert“ werde.

Bei Elternabenden erlebt man, wie von Lehrern das ständige Braten von Extrawürsten für angeblich übertalentierte Kinder gefordert wird, nicht aber, daß Kinder grundsätzlich lernen sollen, sich in eine Gruppe einzufügen und zu gehorchen. Stattdessen gibt es Endlosdiskussionen und Sonderbehandlungen. Und immer wieder werden Standards heruntergeschraubt. Lehrer werden demotiviert, durchzugreifen. An welche Lehrer können wir uns erinnern und welchen sind wir dankbar? In aller Regel Lehrer, die uns etwas abverlangten, die uns Grenzen gesetzt, Autorität gezeigt haben. Ich hatte einen Deutschlehrer, Reserveoffizier, der uns Schüler genervt hat mit dem Schreiben von Erörterungen: Stoffsammlung, Ordnungsplan, Gliederung, Einleitung, Hauptteil, Schluß. Davon zehre ich noch heute! Auf Elternabenden kam es aber schon damals zu Aufständen: Wie könne man die Kinder nur so triezen, besorgte Mütter klagten über „Drill“. Dann der Mathelehrer: Er verlangte die Wiedergabe von Ableitungen „mit eigenen Worten“, um das logische Verständnis zu prüfen. Die laschen Lehrer, die Allesversteher – sie versinken im Vergessen. Sie stahlen unsere Zeit.

Viel ist von „mehr Geld für Bildung“ die Rede. Sanierte Schulgebäude und modernste Technik sind schön, aber sekundär. Entscheidend ist die Wiedereinsetzung von Ordnung, Autorität, Disziplin und Leistungsprinzip. Und daß Lehrern wie Ursula Sarrazin bei ihrem täglichen Dienst an den Kindern von Vorgesetzten und Eltern der Rücken gestärkt wird.

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