© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

„Skandalöse Kommunismus-Sehnsucht“
Linkspartei: Durch den Streit um die Äußerungen ihrer Vorsitzenden Gesine Lötzsch gerät die Partei unversehens in die Defensive
Felix Krautkrämer

Es kommt eher selten vor, daß die Linkspartei in die Defensive gerät. Doch am vergangenen Sonnabend war der Druck auf die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch offenbar zu groß geworden. Nach heftiger Kritik vom politischen Gegner, aber auch aus den eigenen Reihen, sagte Lötzsch ihre Teilnahme an der Podiumsdiskussion der Rosa-Luxemburg-Konferenz zur Frage „Wo bitte geht’s zum Kommunismus?“ ab.

Anstatt wie angekündigt dort mit der früheren RAF-Terroristin Inge Viett und der DKP-Vorsitzenden Bettina Jürgensen die Möglichkeiten zur Überwindung des „kapitalistischen Systems“ zu erörtern, hielt die Linken-Chefin eine etwa zwanzigminütige Rede, in der sie ihren Anfang der vergangenen Woche in der Jungen Welt erschienenen Artikel (JF 2/11) verteidigte. Darin hatte sie die „Barbarei“ des Kapitalismus angeprangert und ihre Partei aufgefordert, neue „Wege zum Kommunismus“ zu finden. Die Reaktionen auf ihren Beitrag hatten selbst die politikerfahrene Lötzsch überrascht und ihre Partei inmitten des seit Wochen schwelenden Programmstreits kalt erwischt. Den politischen Zündstoff, der in ihrem Artikel und dem Auftritt bei der von der Jungen Welt veranstalteten Rosa-Luxemburg-Konferenz lag, hatte Lötzsch eindeutig unterschätzt.

Den Auftakt hatte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Robbin Juhnke gemacht, der gegenüber der JUNGEN FREIHEIT von einem „Stelldichein der Ewiggestrigen“ sprach und der Linkspartei vorhielt, nicht auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu stehen. Daraufhin legten sowohl die Spitzen der CDU als auch der SPD nach: CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von einer „skandalösen Kommunismus-Sehnsucht“ Lötzschs, die „ein Schlag ins Gesicht aller Opfer dieser menschenverachtenden Ideologie“ sei. Die Linkspartei bleibe die Erbin der SED und strebe nach der Überwindung des politischen Systems der Bundesrepublik. Der Chef der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, warf der Linkspartei-Vorsitzenden im Hamburger Abendblatt vor, zurück zum Kommunismus zu wollen, wo „Unfreiheit und Mißwirtschaft 70 Jahre lang“ regiert hätten. Er sei gespannt, wie dies bei den anderen Führungsfiguren der Linkspartei ankäme.

Der heftigste Widerspruch kam jedoch von der CSU, die von ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth eine Breitseite gegen die Linkspartei abfeuerte. Der innenpolitische Sprecher der Landesgruppe im Bundestag, Stephan Mayer, forderte eine deutschlandweite Überwachung der Partei durch den Verfassungsschutz. Angesichts von Lötzschs Äußerungen könne er kein Bundesland verstehen, das auf die Observierung der Linkspartei verzichte, sagte Mayer der JF. Er sei Lötzsch allerdings in gewisser Weise dankbar für ihre Äußerungen, zeigten diese doch, „was wirklich unter dem demokratischen Deckmäntelchen steckt, das sich die Linkspartei in den vergangenen Jahren umgehängt hat“. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt ging noch einen Schritt weiter und brachte die Möglichkeit eines Verbotsverfahrens ins Spiel. Unterstützung erhielt er dabei von Parteichef Horst Seehofer, der eine stärkere politische Auseinandersetzung mit der Linkspartei ankündigte.

Bei der machte sich angesichts der tagelangen Kritik zunehmend Nervosität und Unsicherheit breit: Während der ebenfalls seit längerem angeschlagene Linkspartei-Vorsitzende Klaus Ernst zurückkeilte, seine Partei stehe im Gegensatz zu Dobrindt zweifellos auf dem Boden von Demokratie und Grundgesetz, ging Fraktionschef Gregor Gysi auf Distanz zu Lötzsch. Deren Formulierungen seien „mißverständlich“ gewesen, schließlich denke mancher bei Kommunismus an „Stalin, Mao und die Mauer“, sagte er dem Tagesspiegel und versicherte, „weder in unserer politischen Praxis noch in unserem Programm wird der Begriff des Kommunismus auftauchen“.

Gleichzeitig warnte Gysi Lötzsch mehr oder weniger direkt davor, sich mit der DKP-Vorsitzenden Jürgensen und der Ex-Terroristin Viett gemeinsam auf ein Podium zu setzen. Man könne zwar mit vielen Leuten diskutieren, dennoch wäre er in diesem Fall vorsichtiger gewesen. Gysis Warnung zeigte Wirkung: Lötzsch sagte nicht nur ihre Teilnahme an der Podiumsdiskussion ab, sondern bekannte fast schon reumütig, sie habe beim Verfassen ihres Artikels zumindest auch an die Opfer des Kommunismus gedacht. Auf die Idee, diese auch zu erwähnen, war die Linkspartei-Politikerin allerdings nicht gekommen.

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