© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Von den Rändern des alten Europa
Zwei Neuerscheinungen des Schriftstellers Rolf Stolz charakterisieren die Symbollandschaften Rumänien und Rußland
Werner Olles

Rolf Stolz, Schriftsteller, Fotograf und ständiger Autor dieser Zeitung legt mit den beiden Bänden „Gabelbilder. Neue und rumänische Gedichte“ und „Gwalt. Rußland-Erzählungen, Rumänien-Erzählungen, so etwas wie Geschichten“ erneut Lesestücke vor, in denen das Ewige im Prisma der Gegenwart aufleuchtet. In Rumänien und Spanien sind die schwebender und lyrischer Stimmung weitgehend verpflichteten Gedichte des schmalen Lyrikbändchens „Gabelbilder“ entstanden und spannen ihren Bogen zwischen Liebe und Tod und zwischen verlorenen Vergangenheiten und scharfer, klarsichtiger Beobachtung des Allernächsten, das doch oft so fern und unerreichbar ist. Stolz schreibt in freien Versen, die jedoch einer sorgfältigen rhythmischen Disposition unterliegen; wortschöpferisch und von großer Kraft der Imagination, beschwört er so Bilder aus dem Unterbewußtsein. Ein Ton der Wärme und Menschlichkeit bezeichnet die abgeklärte Sprache.

In „Gwalt“ erzählt der Autor hingegen Lebensgeschichten aus einer teils absurden, teils abenteuerlichen Wirklichkeit. Fremde kommen ins Land, Einheimische verschwinden, tauchen wieder auf und machen sich tot oder lebendig aus dem Staub. Ist das alles vielleicht nur ein böser Traum, in dem die großen Führer als Nachtmahre wiedergehen? Rußland und Rumänien, das sind die Ränder des alten Europas mit ihren blutigen Vergangenheiten und einer Gegenwart, die hart, schwierig und aufregend, aber für uns trotzdem  so unnahbar daherkommt, genau wie das Leben selbst. Gwalt, der ins Russische eingewanderte jiddische Hilferuf und Empörungsausdruck, paßt zu dieser Szenerie wie die Faust aufs Auge.

Stolz’ Prosa ist klar, realistisch und findet aus Traumszenen und Alltäglichkeiten zu einer symbolhaft überhöhten Wirklichkeit. Seine subtilen und prägnanten Kurzerzählungen umreißen zum Teil mit surrealistischen Mitteln die Doppelbödigkeiten menschlichen Daseins, auf dessen Grund Angst und Ungewißheit lauern. Doch tritt Metaphysisches zurück hinter moralischer und psychologischer Beschäftigung mit dem Menschen. Dabei kann der weltreisende Kölner Schriftsteller oft nicht verbergen, daß er von Haus aus Psychologe ist und seine dichte Rhetorik in Form und Gegenstand die menschlichen Leidenschaften und unterbewußten Kräfte voller Grazie und Pathos zugleich symbolisiert.

Besonders charakteristisch an beiden Bänden ist die Gestaltung von Symbollandschaften, überhaupt eine starke Neigung zur Symbolik, das Suchen nach einer Ordnung und ein sensibles, auskostendes Schauen auf den Fortbestand von Lebensformen des Vergangenen in der Gegenwart der russischen und rumänischen Gesellschaft des Postsozialismus.

Rolf Stolz: Gabelbilder. Neue und rumänische Gedichte. Kidemus Verlag, Köln 2010. 104 Seiten, broschiert, 9,90 Euro

Rolf Stolz: Gwalt. Rußland-Erzählungen, Rumänien-Erzählungen, so etwas wie Geschichten. Kidemus Verlag, Köln 2010, 103 Seiten, broschiert, 9,90 Euro

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