© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Notlage
Dresden: Empörung über „Pinkelnde Polizistin“
Paul Leonhard

Marcel Walldorf hat es geschafft. Er hat den ersten Kunstskandal des neuen Jahres in Deutschland provoziert, den mit 1.000 Euro dotierten Kunstpreis der Berliner Leinemann-Stiftung erhalten, Sachsens Innenminister und die Polizei gegen sich aufgebracht. Und im deutschsprachigen Raum eine Diskussion entfacht: Empörte Polizisten auf der einen, begeisterte Kunstfreunde auf der anderen Seite.

Walldorfs Kunstwerk stellt eine lebensgroße Polizistin dar, die in voller Montur in einer Ecke hockt und – pinkelt. Mit Empörung habe er gerechnet, räumt der 27jährige Kunststudent ein. Aber daß sich Innenminister Markus Ulbig (CDU) persönlich einschaltet, hätte er dann doch nicht gedacht. Dieses sogenannte Kunstwerk sei eine Schande, eine Beleidigung der Polizistinnen, eine Verletzung der Menschenwürde, schimpft Ulbig. Und Hagen Husgen, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, sieht die Grenzen der künstlerischen Freiheit überschritten.

Dabei hat Walldorf die Neugier getrieben. Als Besucher des Dresdner Szeneviertels Äußere Neustadt habe er bei diversen Polizeieinsätzen urinierende Polizisten gesehen, nie aber Polizistinnen. Die Frage, was in Kampfmonturen gekleidete Frauen in dieser Notlage tun, habe ihn seither beschäftigt. Vielleicht war es sogar Walldorf, der Ende Dezember 2009 auf der Internet-seite wer-weiss-was.de erfolglos nach sachdienlichen Hinweisen suchte: „Sich aus dem ganzen Rüstungsgedöns herauszuzwängen, dauert ja ewig, wie machen das denn gerade die Polizistinnen?“ Offenbar genau so, wie es Walldorf mit seiner „Pinkelnden Petra“ jetzt dargestellt hat.

„Ich weiß nicht, was entwürdigender ist: Diese öffentliche Darstellung, verpackt als Kunstobjekt, oder die Tatsache, daß der Dienstherr bei jedem unvorhersehbaren Großeinsatz die Vorlagen für solche Plastiken liefert, weil unsere Männer und Frauen oft unzureichend versorgt werden“, fragt „Hwawk“ im Forum der Netzseite www.bundespolizei.de. Und „Osthexe“ bestätigt, oft gebe es bei Einsätzen stundenlang keine Möglichkeit, Toiletten aufzusuchen: „Da können wir uns nicht an irgendeinen Baum stellen.“ Deswegen sei es gar nicht so schlecht, wenn „unser Dienstherr durch diese Art Kunst wach wird“.

Der Künstler habe die Verletzlichkeit eines Menschen darstellen wollen, sagt eine Sprecherin der Dresdner Hochschule für Bildende Künste. Hier ist das anstößige Objekt noch bis zum 23. Januar zu besichtigen.

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