© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

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Finanzmarkt: Internetfirma Facebook wird nach dem Goldman-Sachs-Einstieg mit 50 Milliarden Dollar bewertet / Traumzinsen in Estland
Marco Meng

Viel billiges Geld flutet die Finanzmärkte, seitdem die US-Notenbank Fed die Zinsen auf fast null Prozent gesenkt hat. Doch wohin damit? Da US-Staatsanleihen riskant erscheinen, befeuert das Zentralbankgeld vor allem die Aktienmärkte. 450 Millionen Dollar gab die Investmentbank Goldman Sachs (weitere 50 Millionen kamen von der russischen Digital Sky Technologies) für ein Prozent an dem sozialen Netzwerk Facebook aus. Das nicht börsennotierte Internetportal ist auf dem Papier damit etwa 50 Milliarden Dollar wert – fast soviel wie VW, ein Unternehmen, das über 360.000 Mitarbeiter beschäftigt und nach Toyota der zweitgrößte Autohersteller der Welt ist.

Die 50 Milliarden von Facebook sind ein theoretischer Wert, mit dem man bis zur Aktienemission Größe vorgaukeln kann – erst danach kommt es auf die Rentabilität in der realen Welt an. Laut einer Reuters-Meldung soll Facebook in den ersten neun Monaten 2010 einen Umsatz von 1,2 Milliarden Dollar und einen Netto-Gewinn von 355 Millionen Dollar erzielt haben. Das Privatvermögen des 26jährigen Facebook-Gründers Mark Zuckerberg dürfte nach dem Goldman-Sachs-Einstieg auf etwa 14 Milliarden US-Dollar gewachsen sein. Angesichts dessen ist die wenig schmeichelhafte Darstellung Zuckerbergs in dem Hollywood-Streifen „The Social Network“ locker zu verschmerzen.

„Facebook ermöglicht es dir, mit den Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten und Inhalte mit diesen zu teilen“, heißt es in der Eigenwerbung. „Facebook ist kostenlos und wird es auch immer bleiben.“ Doch wie kann man dann viel Geld verdienen? Vielleicht indem man die Daten der Nutzer weiterverkauft? Bekannt ist, daß Nutzerdaten von Facebook-Mitgliedern als „öffentlich zugängliche Informationen“ behandelt werden. Derzeit sind etwa 600 Millionen Menschen dort registriert – mehr als in allen Einwohnermeldeämtern der 27 EU-Staaten zusammen. „Mit dem Unterschied, daß keine europäische Meldebehörde Privatkontakte, Partyfotos oder private Vorlieben speichert, geschweige denn im Internet vermarktet“, so Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU).

Angesichts der Nutzerzahl verlagern immer mehr Konsumgüterhersteller einen Teil ihres Werbebudgets zu Facebook. Es mutet wie eine selbsterfüllende Prophezeiung an. Eine Aufwärtsspirale oder schlichter Selbstbetrug? Denn man macht teure Werbung für ein Produkt und muß dieses Produkt dann teurer verkaufen, um die Werbekosten wieder hereinzuholen. Oder immer billiger produzieren: Man gibt einem berühmten Sportler als Honorar eine weitere Million, damit er ein Produkt, das in China billig hergestellt wird, lächelnd in die Kamera hält. Und alle Welt kauft dann das Produkt für den zigfachen Preis der Herstellungskosten – so die Idealvorstellung der Marketingabteilungen, die aber nicht selten unrealistisch ist.

Alles, was nach einem guten Geschäft im Internet aussieht, ist so real wie das Internet selbst. Auch Twitter ist 2010 drastisch im Wert gestiegen. Der Kurznachrichtendienst ist mit 3,7 Milliarden Dollar mehr als viermal so hoch bewertet wie vor einem Jahr – immerhin wird in Japan mit Werbung schon etwas Geld verdient. Dabei hat Facebook mit Goldman Sachs einen ausgeklügelten Schachzug hingelegt: Laut Transparenzregeln der US-Börsen müssen Firmen mit mehr als 499 Investoren ihre Bilanzen offenlegen. Goldman kann aber Investoren in einem Spezialfonds bündeln, und so kann Zuckerberg die Schwelle von 500 Anteilseignern überschreiten, ohne Zahlen über Umsatz und Gewinn vorlegen zu müssen. Dazu kommt noch: Seine Beteiligung an Facebook kann Goldman Sachs zu einem vereinbarten Preis veräußern, sollte es nicht zu dem für 2012 erwarteten Börsengang kommen. Schmaler Gewinn, wenig Umsatz, aber hoher Firmenwert – das erinnert alles sehr an Wetten auf intransparente Firmen während der Spekulationsblase der „New Economy“ vor einem Jahrzehnt.

Auch auf dem Geldmarkt scheint sich alles zu wiederholen: Wenn die Bigbank des neuen Euro-Mitglieds Estland nun Festgeld mit 4,70 Prozent verzinst (alle anderen in Europa bieten maximal 2,5 Prozent), wird man da nicht an den „Boom“ beim „Keltischen Tiger“ erinnert? Was aus Irland geworden ist, ist bekannt: Milliarden vom Eurorettungsschirm, für die die europäischen Steuerzahler „den Gürtel enger schnallen müssen“. Braut sich also hier die nächste Finanzblase zusammen?

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sieht alles wieder im Lot, der Aufschwung sei da, bald herrsche Vollbeschäftigung. Daß ein Großteil des Beschäftigungszuwachses im Zeitarbeits- oder im Minilohnsektor stattfindet verschweigt der FDP-Vize. Ebenso die Tatsache, daß die deutschen Exportüberschüsse in den Euro-Defizitländern mit Kreditgeldern bezahlt werden. Die Krise ist nicht einmal richtig vorbei, sondern nur mit exorbitanten Summen unter den Teppich gekehrt: Allein die notverstaatlichte Immobilienbank HRE kostet den Steuerzahler täglich zehn Millionen Euro. Und angesichts der Dollar- und Euro-Krise wären die Verluste beim Platzen einer Facebook-Blase wirklich nur „Peanuts“, wie früherer ein Deutsche- Bank-Chef formulieren würde.

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