© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Feuer und Flamme für den Umsturz
Linksextremismus: Die Rosa-Luxemburg- Konferenz wird von der Sehnsucht nach der Revolution geprägt
Lion Edler

Gegensätzlicher könnten die Milieus nicht sein, aus denen sich die Teilnehmer dieser 16. Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Berliner „Urania“ zusammensetzen. Die eine Hälfte besteht aus etwas traurig schauenden Rentnern mit Thälmann-Mütze und Rollkragenpullover, denen die Enttäuschung über den Untergang der DDR ins Gesicht geschrieben scheint. Als Trost können sie die auf dieser Konferenz verteilte Broschüre „Die DDR im Ruhrgebiet“ von der Initiative „DDR-Kabinett Bochum“ lesen. Dieser Verein will sich für „Bürgerinnen und Bürger der Deutschen Demokratischen Republik“ einsetzen, die „trotz massiver Angriffe und Verleumdungen“ zu ihrer Biographie stünden. Daher wendet man sich auch „an Schulen und fortschrittliche Bildungseinrichtungen“, um „Geschichte zum Anfassen“ zu bieten, die man auch gleich stolz auflistet: unter anderem 400 komplette Uniformen („vom Revierförster bis zum Generalmajor der NVA“) und 500 Urkunden („vom Kollektiv der Arbeit bis zum 35. Jahrestag des MfS“). 

Die zweite Hälfte der Teilnehmer sind junge Langhaarige mit Rastalocken, die aussehen, als wenn sie gerade zu einem Rockkonzert wollen. Auf den T-Shirts der jungen Revolutionäre, von denen viele noch nicht volljährig scheinen, stehen Sätze wie „Kein Mensch ist illegal“ oder „Kein Sex mit Nazis“.  Ins Gespräch kommen beide Seiten kaum miteinander, und in der Cafeteria bleiben die älteren Herren meist unter sich. Doch man duldet sich, denn man hat ein alle Gegensätze überbrückendes gemeinsames Ziel: den Kommunismus. Daran läßt auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke vor der Podiumsdiskussion keinen Zweifel. „Ich hoffe, daß wir heute einen ersten Schritt in den Weg des Kommunismus finden“, ruft Jelpke unter dem Jubel der Zuhörer im überfüllten Saal. Und fordert einen „gebührenden“ Empfang für die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, auch wenn Jelpke bedauert, daß die „Antidemokraten“ es unter Mitwirkung der JUNGEN FREIHEIT geschafft hätten, Lötzsch zu einem halben Rückzug zu bewegen (siehe unten).

Den gebührenden Empfang bekommt sie, und während ihrer Rede läßt die Begeisterung nicht nach. Auch weil sie an die Adresse von Parteifreund Gregor Gysi sagt, es sei falsch, daß man den Begriff des Kommunismus gar nicht mehr verwenden dürfe. Und außerdem: „Besonders die Politiker, die völkerrechtswidrige Kriege gegen den Willen der Mehrheit beschlossen haben, die sollen mir nicht erzählen, was Demokratie ist.“ Vielmehr gebe es keine Partei, die die Demokratie so ernst nehme wie die Linke. Diese sei natürlich auch gegen Terrorismus. Lötzsch zitiert Oskar Lafontaine, wonach Terrorismus „das Töten unschuldiger Zivilisten zum Erreichen politischer Ziele“ sei. Somit, so schlußfolgert sie, betreibe die Nato in Afghanistan Terrorismus.

Auf Lötzsch folgt das „Lob des Kommunismus“ von Bertolt Brecht, eine Art sozialistisches Gebet. „Er ist gut für dich, erkundige dich nach ihm“, wird in dem Gedicht gefordert. Schließlich sei der Kommunismus doch „gegen den Schmutz und gegen die Dummheit“, „das Ende der Verbrechen“, „nicht das Chaos, sondern die Ordnung“, kurzum: „Das Einfache, das schwer zu machen ist.“ Über dieses Schwere macht sich bei der Podiumsdiskussion auch die wegen versuchten Mordes und Entführung verurteilte RAF-Terroristin Inge Viett, die vom Publikum stürmisch gefeiert wird, ihre Gedanken. Für sie komme ein DKP-Eintritt nicht in Frage, denn dort werde die „revolutionäre Praxis“ vernachlässigt. Ohnehin stagniere der „revolutionäre Prozeß“ seit Jahrzehnten, bedauert sie.

Zu dieser Zeit sind vor der Urania bereits Opfer der SED-Diktatur, die gegen die Veranstaltung demonstrierten, von Linken zusammengeschlagen worden, ein älterer Mann mußte ins Krankenhaus. Wenn die Bundeswehr völkerrechtswidrige Kriege führe, so sagt Viett nun, dann sei das Anzünden von Bundeswehrfahrzeugen, Sabotage oder „Gegenwehr bei Polizeiattacken“ legitim. Wieder starker Applaus.

Ulla Jelpke will nun von der DKP-Vorsitzenden Bettina Jürgensen wissen, ob durch das von Viett angeführte Anzünden von Bundeswehrfahrzeugen „antimilitaristisches oder Klassenbewußtsein“ entstehen könne. Jürgensen meldet Zweifel an, gibt zu Bedenken, daß man sich nicht automatisch gegen die Sache des Kommunismus stelle, wenn man solche Aktionen unterlasse. Das geht dem Publikum nun doch zu weit, sofort ertönen Pfiffe und Unmutsbekundungen. Jürgensen versucht sich zu rechtfertigen, will derlei Brandstiftung nicht völlig ablehnen, doch „Ort und Zeit“ müßten stimmen, damit die Aktionen „verstanden“ würden. Doch es hilft nichts, Jürgensen kann es nicht mehr verhindern, hier schon als zu sanft und weichspülend angesehen zu werden.

Für die kämpferische Viett könnte dieser merkwürdige Tag im Januar übrigens noch ein Nachspiel haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft teilte am Montag auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit, aufgrund ihrer Äußerungen werde geprüft, ob ein Anfangsverdacht wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten vorliege.

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