© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Schlips raus
Die Krawatte darf in keiner konservativen Garderobe fehlen – auch nicht im Ausland
Paul Leonhard

Warum schenken Frauen nur so gern Krawatten und richten sie noch lieber bei ihrem Liebsten aus? Weil die Krawatte das männlichste Kleidungsstück überhaupt ist. Sie macht attraktiv. „Krawatten vermitteln Erfolg, Standfestigkeit und eine gepflegte Erscheinung, was auf die Frauen anziehend wirkt“, setzt das Männermagazin Men’s Health Zeichen gegen den Trend, daß der Schlips vielen Männern zum Hals raushängt. Auch das Deutsche Modeinstitut kämpft für die Krawatte. Deswegen zeichnet es jedes Jahr Prominente aus, die diese geschickt in Szene setzen. Im Dezember 2010 wurde ZDF-Moderator Claus Kleber zum „Krawattenmann des Jahres“ auserkoren. Dieser nutze „die Krawatte als formvollendetes Stilmittel seiner journalistischen Handschrift“, lobte die Jury. Bei Kleber werde die Krawatte „zu einem alternativlosen Accessoire medialer Glaubwürdigkeit“.

Verliehen wird der Titel schon seit 1965. Damals ging es der Krawatte erstmals seit ihrer Erfindung richtig an den Kragen. In Ost und West rebellierte die Jugend gegen Obrigkeit und Vätergeneration. „Die Musik der Beatles, die länger werdenden Haare, das Abstreifen der bürgerlichen Uniform, die Aufkündigung des Krawattenzwangs, der Siegeszug der Jeans und des offenen Kragens (...) brachen mit einer bis dahin fast unangefochten herrschenden Ordnung“, schreibt der Philosoph Wolfgang Fritz Haug in seinen „Gedanken zum 2. Juni“: Haug erinnert auch an den in der DDR „eisern aufrechterhaltenen Krawattenzwang und Titelkult in DDR-Restaurants“. Die Folge war, daß vor allem Parteifunktionäre Krawatte trugen, während sie von der in Opposition zur SED stehenden Jugend und Intelligenz grundsätzlich abgelehnt wurde. Um so schockierter zeigten sich westdeutsche Politiker 1989/90 von ihren Verhandlungspartnern, die mit Vollbart und Rollkragenpullover zu Vertragsunterzeichnungen erschienen.

Ursprünglich waren es kroatische Reiter, die den französischen König Ludwig XIV. zur „Cravate“ inspirierten. Das war 1663 bei einer Truppenparade in Versailles. Die Kroaten trugen ein Stück Stoff, das am Kragen in Form einer Rosette befestigt wurde und deren Enden über der Brust hingen. Aber bereits seit 1655 trugen Männer der oberen Schichten ein derart geknotetes Tuch. Der Beruf des Cravatiers wurde erfunden und der Siegeszug der Krawatte begann. Sichere Bastionen fand sie nicht nur im Geschäftsleben und im Bankwesen, sondern vor allem bei den Sicherheitsdiensten und zumindest bei den Ausgangs- und Paradeuniformen der Armeen dieser Welt, wo sie sich unter dem Namen „Langbinder“ tarnt.

Auch im Ausland sollten sich Besucher, zumindest wenn sie Geschäfte abschließen wollen, konservativ westlich kleiden. Das bedeutet, so beispielsweise der „Arabienknigge“ der Industrie- und Handelskammer Bielefeld, „einen vollständigen Anzug mit Krawatte“. Wichtig ist dabei dreierlei: Die Krawatte muß zur Kleidung passen, modisch sein, und vor allem der Knoten muß richtig gebunden sein. „Four-in-Hand“, halber Windsorknoten, Windsorknoten und Pratt-Knoten – so heißen die vier Klassiker unter den 85 Möglichkeiten, den textilen Männerschmuck zu binden. Das hat der britische Physiker Thomas Fink 1999 herausgefunden. Die richtige Länge ist im stetigen Wandel. In den 1970er Jahren blieb eine Handbreit zwischen Krawattenspitze und Gürtelschnalle frei. Bis zur Jahrtausendwende galt, daß die Spitze auf Höhe des Hosenbundes zu liegen kommt. Inzwischen gilt eine etwas kürzere Tragweise als modisch.

Foto: Krawatten für Männer von heute: Inbegriff eines zeitlosen, wertverbundenen Modegeschmacks

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