© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Leserbriefe

Zu: „Hoffnung auf Wandel“ von Michael Wiesberg, JF 52/10-1/11

Beschimpfung als Nazi

Eine Begegnung der besonderen Art ist mir kurz vor Weihnachten geschehen.Da ich schwerstbehindert bin, bat ich eine circa 50jährige Dame mit Migrationshintergrund, mir ihren Sitzplatz einzuräumen. Reaktion: „Du scheißdeutscher Nazi“, zischte sie mich an. Das ist keine Mär aus dem Tollhaus, sondern bundesdeutsche Realität.

Wilfried Hofmann, Braunschweig

 

 

Zu: „Für mich sind das Helden“ von Sverre Schacht, JF 52/10-1/11

In Deutschland fehlt Respekt

Wenn Soldaten der Bundeswehr zu kriegerischen Einsätzen – aus welchen Gründen und zu welchem Zweck auch immer – entsandt werden, gebührt ihnen Respekt und Anerkennung. Versehrte und altersbedingt Ausgeschiedene, Veteranen zu nennen, wird in kaum einer Armee in Frage gestellt. Allein der Deutsche Bundeswehrverband bezeichnet auch die letzten noch Überlebenden als „Ehemalige“.        

Gerd-Joachim Kalkowski, Hildesheim

 

 

Zu: „Der Tod kennt keinen Feiertag“ von Wolfgang Lehmann, JF 52/10-1/11

Eine „Null“ vergessen?

Nicht nur 18.000 Menschen, sondern mindestens 189.000 deutsche Zivilisten und Ausländer waren insgesamt in den zehn großen sowjetischen Lagern auf deutschem Boden von 1945 bis 1950 „interniert“. Allein das „Speziallager“ Sachsenhausen war mit etwa 60.000 Internierten belegt, Buchenwald mit fast 30.000, Mühlberg mit 22.000, Bautzen mit 27.000. Vorbild war das lange vor Hitler in der Sowjetunion existierende Lagersystem des „Archipel Gulag“ zur Festigung des kommunistischen Herrschaftssystems mittels Verhaftungsterror (siehe auch die Fachbücher hierzu von Ritscher, Reif-Spirek, Jeske, von Flocken, Fricke). In diesen Lagern verhungerten und starben an Krankheiten weit mehr als die offiziell eingeräumte Zahl von 42.800 Häftlingen.

Mein Vater Georg Nitze überlebte die Lager Jamlitz, Ketschendorf und Buchenwald, in die er unschuldig und ohne Urteil als angeblicher „US-Spion“ verschleppt worden war – ebenso wie Gegner des stalinistischen Regimes, Sozialdemokraten, Pfarrer, Jugendliche, Bauern, Bahn- und Postbeamte (als Uniformträger!), kleine NS-Mitläufer oder niedere Funktionsträger und Zigtausende willkürlich Verschleppte.

Isabella Nitze, Worpswede

 

 

Zu: „Die Transfer-Gesellschaft“ von Kurt Zach, JF 51/10

Fragwürdige Magnetwirkung

In allem ist Kurt Zach zuzustimmen, nur in einem nicht: Denn das „Konzept“ eines „Einwanderungslandes, das die Besten aus aller Welt anziehen will“, welches dazu führt, sorgfältigst „auszuwählen, wen sie in ihre Reihen aufnimmt“, ist ethisch unzulässig. So bezeugt Becksteins Diktum – „wir brauchen weniger Ausländer, die uns ausnützen, und mehr, die uns nützen“ – ein unverantwortliches Nützlichkeitsdenken.

So, wie es uns schmerzt, daß viele Deutsche ihr Vaterland verlassen, weil sie andernorts bessere Berufsaussichten wittern – warum bietet Deutschland sie ihnen nicht? – , so entgehen Entwicklungs- und selbst Schwellenländern durch die Magnetwirkung des Westens genau jene Leute, die in der Lage wären, ihre eigenes Land auf Vordermann zu bringen (und beispielsweise die vom Westen aus empathischen Gründen zu leistende „Hilfe zur Selbsthilfe“ mit Umsicht zur Tat werden zu lassen). Zur Veranschaulichung: In Deutschland kommt ein Arzt auf rund 300 Einwohner, in Afrika auf über 3.000, in Mosambik zum Beispiel auf etwa 130.000 Einwohner.

Hans-Gert Kessler, München

 

 

Zu: „Haste mal ´ne Kippa?“ von Doris Neujahr, JF 51/10

Existenzrecht: Zu Recht betont!

Die Rechtsparteien, die Israel einen Besuch abgestattet haben, werden hier beschuldigt, eine einseitige Position einzunehmen. Sie würden nur das Existenzrecht Israels und nicht den Anspruch der Palästinenser auf einen eigenen Staat anmahnen. Ich denke, daß dieser Vorwurf nicht haltbar ist. Im Jahre 1922 wurde das gesamte Gebiet Palästina aufgeteilt in einen jüdischen Staat (Israel) und in einen dreimal so großen Staat „Transjordanien“, der die Heimstätte der Palästinenser wurde. Transjordanien wurde später in Jordanien umbenannt.

1948 fiel das palästinensische Jordanien in das zu Israel gehörende Gebiet ein und besetzte widerrechtlich die sogenannte „Westbank“, die mittlerweile offiziell zum größten Teil auch nicht mehr zu Israel gehört. Die Palästinenser haben seit 1922 längst ihren (großen) Staat Jordanien. Nun wollen sie von dem kleinen übriggebliebenen Israel weitere Gebiete bekommen und einen weiteren Palästinenserstaat errichten. Die Rechtsparteien haben völlig recht, wenn sie das Existenzrecht Israels und sein Recht auf Selbstverteidigung betonen. Dies steht Israel genauso zu wie jedem anderen Staat.

Martin Seifert, Aurich

 

Keine Antwort auf keine Frage

Die Auslassungen von Doris Neujahr zur Israel-Reise der europäischen Rechtsparteien bedient sich althergebrachter Klischees und Vorurteile, die von einer erstaunlichen Unkenntnis zeugen und in ihrer Formulierung ebensogut aus einem linksgewandten Allerweltsblatt stammen könnten. Fragwürdig ist der Satz: „Zusammen mit dem kollektiven Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem signalisiert das die Bereitschaft, sich den Ritualen und dem Geist der Zivilreligion zu unterwerfen.“ Weiß Neujahr im Ernst, was sie mit dieser Satzkonstruktion aussagen will? Neujahr gibt Antworten auf nicht gestellte Fragen.

Peter Weinhold, Nossen

 

 

Zu: „Vereint im Kampf gegen Islamisten“ von Curd-Torsten Weick, JF 51/10

Keine rechte Vermittlerrolle

Die Anbiederung der europäischen Möchtegern-Haiders an die israelische Ultrarechte ist mehr als peinlich. Unsere Ansprechpartner in Israel sollten eher die Vertreter der dortigen Friedensbewegung sein. Wenn die NPD für die Hamas Partei ergreift und die Freiheitlich-Konservativen für die radikalen Israelis, holen wir uns zumindest verbal einen Krieg nach Deutschland, der nicht unser Krieg ist.

Die Aufgabe Deutschlands sollte es sein, zwischen den Juden und den Arabern eine neutrale Vermittlerrolle zu übernehmen. Ich fühle mich in dieser Frage (und vielen anderen) weder von der gemäßigten noch von der radikalen europäischen Rechten vertreten und werde sie deshalb auch nicht wählen.

Michael Krämer, Lenggries

 

 

Zu: „Die Macht ist mit uns“ von Baal Müller, JF 51/10

Die Konsequenz der Transparenz

Daß die Tätigkeit von Herrn Assange von konservativer Warte aus begrüßt werden sollte, halte ich für eine Fehleinschätzung, der deutlich zu widersprechen ist. Ohne Zweifel ist Wikileaks eine Problemanzeige, die darauf hindeutet, welche Schwierigkeiten „demokratisch legitimierte Politik“ heute hat. Aber: Wünschen wir uns allen Ernstes ein weltweites anonymes (!) Denunziantentum größten Stils, in dessen Rahmen jeder jeden aller möglicher Dinge bezichtigen kann? Wünschen wir uns eine Welt (gerade der Politik) ohne Diskretion, ohne geschützen Innenraum, in dem auch einmal „Klartext“ geredet werden kann?

Auch Wikileaks ist beileibe nicht „neutral“ – es wird von Menschen gemacht, die interessen- und ideologiegeleitet handeln. Und welcher Art der Geist ist, den Julian Assange und seinesgleichen verbreiten, ist mehr als deutlich: Es geht gegen die USA. An deren Politik ist sicher mancherlei zu enthüllen und zu kritisieren. Aber: Wo bleiben die Berichte über China, über Nordkorea, über Rußland, über diverse afrikanische Staaten?

Karsten Erdmann, Anklam

 

Der Staat ist keine Lachnummer

Der Analyse ist voll zuzustimmen. Leider steht die Schlußfolgerung dazu in gewissem Widerspruch. Konservative müssen sogenannte NGOs und andere Formen der Machtausübung durch Private ablehnen. Andernfalls droht Anarchie. Das staatliche Macht- und Gewaltmonopol muß vor der übermäßigen Einflußnahme von Privaten, Parteien und Medien geschützt werden. Der Staat muß sich um weniger intensiver kümmern. Er darf nicht zur Lachnummer verkommen.

Friedrich Reimer, Karstädt

 

 

Zum Leserbrief „Eine merkwürdige Aufnahme“ von Viktor Troester, JF 51/10

Anfälligkeit für Verschwörung

Der Leserbrief von Herrn Troester, dem das Aussehen der Taliban-Kämpfer verdächtig vorkam, zeigt, wie Halbwissen für Verschwörungstheorien anfällig macht: Das afghanische Staatsvolk der Paschtunen sieht sich als Nachkommen der Arier; alle Völker in der Region, die einen besonderen Stolz zeigen, sind mit uns Deutschen verwandt. Deshalb ist es umso trauriger, daß es den bundesdeutschen Einsatzgruppen in kurzer Zeit gelang, die traditionelle Deutschenfreundlichkeit der Afghanen als Uncle Sams Hilfstruppen ins Gegenteil zu verkehren.

Hans-Christof Tuchen, Berlin

 

 

Zu: „Streit ums Kind“ von Felix Krautkrämer, JF 50/10

Unamerikanisches Verhalten 2.0

Ein Kind, das den Bundespräsidenten nicht zum Paten haben soll, ein Schornsteinfeger, eine Kindergärtnerin, die Berufsverbot bekommen, eine Mutter, die ins Gefängnis muß, weil ihr Sohn nicht in die Schule darf, um Pornofilme zu sehen – alles Verfassungsbrüche nur der letzten Monate.

Mich wundert dabei nur eins: Warum ist bisher niemandem aufgefallen, wie sich die Bilder gleichen? Der „Kampf gegen rechts“ hier, die Kommunistenhatz unter McCarthy in den USA. Der Unterschied liegt darin, daß heute flächendeckend gegen „rechts“ vorgegangen wird. Zudem heizt man den „Antifaschismus“ durch öffentliche Subventionen zusätzlich an.

Ilse Conrad-Kowalski, Lübeck

 

 

Zu: „Von zwei auf zehntausend“ von Christian Dorn, JF 50/10

Kommunismusopfer ignoriert

Die tonangebenden Medien ignorierten bzw. verschwiegen die Festveranstaltung zum 20jährigen Bestehen der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus/Stalinismus. Umso wichtiger war und ist die Stimme der JF. Doch der Artikel von Herrn Dorn fiel sehr knapp aus: Die Arbeit der Gedenkbibliothek wurde zwar gewürdigt, die Diskussion zum Freiheits- und Einheitsdenkmal und die Erwähnung des festlichen Rahmens der Veranstaltung fielen unter den (Redaktions-)Tisch.

Reinhard Klaus, Berlin

 

 

Zu: „Wir sind vorbereitet“, Interview mit Pierre Vogel, JF 49/10

Die Historie sieht anders aus

Pierre Vogel versucht mit geradezu grotesken historischen Rückgriffen auf die NS-Zeit, den Eindruck zu erwecken, die Muslime seien die „neuen Juden“ Europas. Die Historie sieht anders aus. Anläßlich der Aufstellung von drei islamischen SS-Divisionen („Handschar“, „Kama“ und Skanderberg“) im Frühahr 1943 sprach Heinrich Himmler vom Judentum als dem gemeinsamen Feind von Nationalsozialismus und Islam. Mitte Januar 1944 charakterisierte Himmler den Islam wie folgt: „Ich muß sagen, ich habe gegen den Islam gar nichts, denn er erzieht mir mit diesen Divisionen seine Menschen und verspricht ihnen den Himmel, wenn sie gekämpft haben und im Kampf gefallen sind. Eine für Soldaten praktische und sympathische Religion.“

Dr. Roland Mackert, Sachsenheim

 

 

Zu: „Im Bannkreis des Führers“ von Thorsten Hinz, JF 49/10

Alternative zum 24. März 1933

Thorsten Hinz schreibt sehr richtig, daß unsere Funktionseliten die willigsten Akteure der von den Alliierten geforderten Umerziehung sind. Dabei haben sie keine Probleme, auf uns heute lebende Deutsche das NS-Prinzip der Sippenhaft anzuwenden: Die heute lebenden Deutschen sollen sich für die Verbrechen der NS-Zeit schuldig und verantwortlich fühlen.

Sowohl unsere Medien wie auch unsere Politiker tun so, als ob sich „die Deutschen“ Hitler zum Diktator erwählt hätten. Sie verschweigen konsequent, daß es die Abgeordneten des Reichstags waren, die ihm am 24. März 1933 mit Zwei-Drittel-Mehrheit Generalvollmacht erteilt hatten, Gesetze zu erlassen, ohne das Parlament zu befragen. Der Reichstag hatte damit praktisch abgedankt. Auch Hindenburg hat ihn nicht zum Diktator ernannt: Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 stellte lediglich den an diesen gerichteten Auftrag dar, sich eine Mehrheit im Reichstag zu suchen, die er schließlich – nach der Reichstagswahl vom 5. März – bei der DNVP fand.

Es wird auch konsequent verschwiegen, daß das Ermächtigungsgesetz zustande kam duch die Zustimmung der gesamten Zentrumspartei (darunter Prälat Kaas und Heinrich Brüning) und der Deutschen Staatspartei (darunter der Abgeordnete und spätere Bundespräsident  Theodor Heuss). Das Zentrum mit 13,9 Prozent und 92 Sitzen im Reichstag, das ja als Vorläufer der CDU bezeichnet wird, hätte das Ermächtigungsgesetz und damit die Hitlerdiktatur verhindern können.

Offenbar gibt es auch absichtlich keine Betrachtung zu der Frage, was gewesen wäre, wenn die bürgerlichen Parteien das Ermächtigungsgesetz abgelehnt hätten und Hitler zwar Reichskanzler geblieben wäre, aber eben nicht Diktator, sondern der gemäß Artikel 54 Weimarer Verfassung vom Parlament abhängige Kanzler.

Dr. Folkmar Schniewind, Dreieich

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