© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/11 07. Januar 2011
Neoliberale Entstaatlichung des nationalen
Wohlfahrtsstaates Mit dem Zeitalter der Unsicherheit befaßt sich die Dezember-Ausgabe der Neuen Gesellschaft/Frankfurter Hefte. Nicht unter diesem Schwerpunkt, aber zufällig im Vorspann plaziert, handelt Jochen Thies den Außenminister-Darsteller Guido Westerwelle als gefährlichsten Unsicherheitsfaktor der deutschen Außenpolitik ab und legt ihm nahe, den Stuhl Bismarcks zu räumen. Und die neoliberale Politik, die sich seine Partei der Besserverdienenden auf die Fahnen geschrieben hat, steht denn auch im Zentrum der Beiträge über die neue Unsicherheit. Der Wiener Soziologe Christoph Reinprecht verficht dabei die These, daß nicht anonyme Mächte der Globalisierung primär in sozialen Mittelschichtmilieus Unsicherheit generieren, sondern die politische Klasse gegen die Gesellschaft mobilisiert. Nachdem der nationalstaatlich geregelte Solidarverband, der allein Bürgerschaft ermögliche, in Auflösung begriffen sei (über deren Urheber und Nutznießer sich Reinprecht ausschweigt), folgten die politischen Eliten einer Logik der Produktion von Unsicherheit. In Reinprechts Deutung reagiert die deutsche Sozialpolitik nicht passiv auf Zwänge, wie sie die Märkte induzieren, sondern betreibe aktiv die Entstaatlichung des nationalen Wohlfahrtsstaates, der eine historisch einzigartig und über mehrere Jahrzehnte seine stabile Form bewahrt habe. |