© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Ungarn: Empörung über Mediengesetze
Neuregelungen der rechten Regierung stoßen auf Kritik / Opposition verliert Einfl uß auf staatlichen Rundfunk
Ivan Denes

Die ungarische Regierung, die am 1. Januar die EU-Präsidentschaft übernommen hat, steht im Konflikt mit europäischen Behörden und Politikern. Der Grund ist eine ganze Reihe von Mediengesetzen, die von Viktor Orbáns rechtskonservativer Regierung in rasantem Tempo durch das Parlament gepeitscht worden sind, wo Orbans Partei Fidesz (Bund der Jungdemokraten) über eine Zweidrittelmehrheit verfügt.

Zu den umstrittenen Gesetzen gehört die Reform der Medienaufsichtsbehörde („Medienrat“). Diese war bislang offiziell paritätisch besetzt, in Wirklichkeit aber eher linksliberal ausgerichtet. Jetzt wird der Medienrat von Fidesz neu besetzt und mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet. Oppositionsparteien sind in seinen Reihen nicht mehr vertreten. An die Spitze dieser Behörde setzte Orbán mit Annamária Szalai eine bewährte Parteigängerin, der er ein Mandat auf neun Jahre erteilte, also bis in die übernächste Legislaturperiode hinein.

Ende 2010 wurde noch ein weiteres Gesetz durchgebracht: Medien sind gehalten, „angemessen“ über Fragen des öffentlichen Interesses zu berichten. Andernfalls können Bußgelder festgelegt werden, die bis zu 750.000 Euro betragen – mithin also existenzbedrohend sind. Kritiker sprechen von einem „Maulkorb-Gesetz“.

Erste Konsequenzen hat es bereits gegeben: So wurden zwei Journalisten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk suspendiert, weil einer der beiden in seiner Sendung eine Schweigeminute wegen des Gesetzes eingelegt hat. Gegen den linken Radiosender Tilos wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Der Grund: ein Raplied.

In Budapest demonstrierten vor Weihnachten 1.500 Personen gegen das Gesetz. Kritik kommt auch aus dem Ausland, von EU- und OSZE-Stellen. So hat der EU-Abgeordnete Martin Schulz (SPD) der ungarischen Regierung „große Probleme“ angedroht, und selbst Angela Merkel hat Korrekturen an dem Gesetz angemahnt. Regierungschef Orban verwies die Kritiker darauf, daß es entsprechende Gesetze auch in anderen EU-Staaten gebe.

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