© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/11 07. Januar 2011
Die Querfront scheitert Bei Armin Mohlers Planung einer neuen Zeitschrift als Tribüne des Nonkonformismus entwarf er 1966 eine Übersicht der verschiedenen Denkfamilien der Konservativen: von den Kulturkonservativen (vor allem Joachim Günther, Klaus Harpprecht, Rudolf Krämer-Badoni, Hans-Egon Holthusen, Wolf Jobst Siedler) über die Wissenschaftler konservativer Tendenz (Hans Sedlmayr, Peter R. Hofstätter, Pascual Jordan, Ernst Forsthoff, Otto Brunner, Percy Ernst Schramm, Reinhart Koselleck), den offiziellen oder Gärtner-Konservatismus (Eugen Gerstenmaier, Hans-Joachim von Merkatz, Hans Mühlenfeld), die Liberalkonservativen (Wilhelm Röpke, Helmut Schoeck), die Etatisten (Paul Carell, Arnold Gehlen, Winfried Martini, Hans-Dietrich Sander, William S. Schlamm, Carl Schmitt, Caspar von Schrenck-Notzing, Hans-Georg von Studnitz, Günter Zehm) den katholischen (Anton Böhm, Otto B. Roegele, Paul-Wilhelm Wenger) und den protestantischen Flügel (Alexander Evertz, Hans Schomerus, Wilhelm Stählin, Helmut Thielicke) bis zu den Nationalkonservativen (Herbert Cysarz) und monarchistischen Einzelgängern (Emil Franzel, Erik von Kuehnelt-Leddihn, Hans-Joachim Schoeps). Am Rande des Schemas stand die Kategorie out, und gemeint waren Abweichungen zum Nationalismus hin und der Friedhof der Konservativen Revolution. Mit dieser pietätlosen Formulierung meinte Mohler vor allem die überlebenden Bündischen und Völkischen, die mehr oder weniger ungebrochen an ihren alten Ideen festhielten, etwa Jakob Wilhelm Hauer oder Herman Wirth, die Ludendorffer oder die Reste des Jungdeutschen Ordens, die sich immer wieder zu reorganisieren suchten. Es mag überraschen, daß Mohler, der das Grundlagenwerk zur Geschichte der Konservativen Revolution geschrieben hat, allen Bestrebungen zu direkter Wiederanknüpfung so skeptisch gegenüberstand, aber diese Haltung entsprach der, die er schon zu Beginn der fünfziger Jahre eingenommen hatte, als die Chance zu einer Restauration noch deutlich größer scheinen konnte. Mohlers Absage bedeutete allerdings keine Absage an eine Fortsetzung der KR mit anderen Mitteln, und als er im Sommer 1967 den Brief eines Studenten erhielt, der den Kontakt suchte und an der Spitze einer Gruppe junger Nationalrevolutionäre stand, war seine Reaktion durchaus positiv. Der Student hieß Henning Eichberg und arbeitete an einer Dissertation im Fach Soziologie. Eichberg kam ursprünglich aus der alten, neutralistischen Rechten und gehörte jetzt zum Umfeld der in Hamburg erscheinenden Zeitschrift Junges Forum, die seit 1969 den Untertitel Beiträge zum Selbstverständnis der Jungen Rechten und zu einem modernen Nationalismus europäischer Prägung trug. Diese Junge oder Neue Rechte sah sich in der Tradition der Nationalrevolutionäre oder Nationalbolschewisten der Weimarer Zeit, aber die Bezugnahme war doch eher formaler Natur, es gab keine Ostorientierung und man dachte nicht daran, die Ideen eines Ernst Niekisch, Friedrich Hielscher oder Karl O. Paetel wiederzubeleben. Unter dem Einfluß Eichbergs ging es vielmehr darum, theoriefähig zu werden, von der Linken nicht nur Methoden der Agitation und Propaganda zu übernehmen, sondern auch das Ziel, ein möglichst geschlossenes Weltbild zu entwerfen, das in der Auseinandersetzung mit dem Neomarxismus standhalten würde. Dabei orientierte er sich vor allem an der Erkenntnistheorie des Wiener Kreises, ethologischen (Bedeutung der biologischen Differenzen zwischen Individuen einerseits, Rassen andererseits, Rolle der Territorialität und Aggressivität des Menschen) sowie soziologischen Erkenntnissen (Gruppengebundenheit des Individuums und dessen Bedürfnis nach Identität gerade unter den Bedingungen einer modernen Industriegesellschaft), aus denen dann die politischen Folgerungen zu ziehen waren (kulturell homogene Großräume, Ethnopluralismus, Nationalismus, organisatorischer Sozialismus). Eichberg betonte die Modernität seines Konzepts, das er als Ergebnis der Entwicklung einer spezifischen europäischen Rationalität betrachtete. Aber er war auch fasziniert vom politischen Aktivismus, der die Atmosphäre der Zeit nachhaltig bestimmte. Das erklärt nicht zuletzt, warum seine Haltung gegenüber der Achtundsechzigerrevolte immer etwas Ambivalentes hatte. Die Pointe seiner Kritik der Neuen Linken Inkonsequenz bei der Verfechtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, das zwar für die Dritte Welt, aber nicht für die Osteuropäer oder die Deutschen gelten sollte, Unfähigkeit, die eigene irrationale Motivation zu erkennen lag bezeichnenderweise in dem Schluß, daß die APO scheitern müsse, wenn sie nicht die Nähe zu ihren Gegnern auf seiten der militanten Rechten sehen lerne und das tertium comparationis begreife: die Bewegung. Versuche, eine solche Bewegung zu formieren, scheiterten allerdings wie jedes vergleichbare Konzept einer Querfront, und der Rückzug Eichbergs aus der politischen Arbeit der Nationalrevolutionäre am Ende der siebziger Jahre hat wesentlich zu deren Bedeutungsverlust beigetragen. Nach seinem gescheiterten Bemühen, eine Professur in der Bundesrepublik zu erhalten, und einer Pressekampagne gegen seine Person übersiedelte er 1984 nach Dänemark und erhielt dort Lehraufträge an verschiedenen Universitäten. Wie der Hauptteil der nationalrevolutionären Bewegung wandte er sich in der Folgezeit zunehmend nach links. Zuletzt hat Eichberg seine ursprünglichen Ideen fast vollständig aufgegeben. In der NR-Szene gab es niemanden, der ihn hätte ersetzen können. Allerdings darf man auch die Reserven gegenüber seinem Futurismus nicht unterschätzen und die Bedeutung der Einsicht, daß es ihm weder gelang, die Elemente seiner Theorie in einen konsistenten Gesamtentwurf zu bringen, noch eine stabile Organisation zu bilden. Obwohl er früh die Vorbildlichkeit der französischen Neuen Rechten betont hatte und schon seit den sechziger Jahren in enger Verbindung zu deren führendem Kopf, Alain de Benoist, und deren wichtigster Organisation, dem GRECE (Groupement de recherche et d études pour la civilisation européenne), stand, war er doch niemals in der Lage, dieses Modell auf die deutschen Verhältnisse zu übertragen. Die Entstehung einer Neuen Schule so der Titel der 1968 gegründeten Theoriezeitschrift der Nouvelle Droite verdankte sich nicht nur der Konsequenz, die Benoist aus dem Scheitern aller Ansätze zog, in Frankreich eine selbständige nationalistische Partei zu gründen, sondern auch aus dem Bedürfnis, seiner eigentlichen Begabung als Vordenker und ideologischer Kopf zu folgen. Als eine mögliche, eine Rechte für diese Zeit verstand sich die Gruppierung insofern, als sie nicht wie sonst in Frankreich üblich etatistisch und lateinisch argumentierte, sondern völkisch und europäisch, nicht christlich und traditionalistisch, sondern heidnisch und empirisch, nicht proamerikanisch und marktwirtschaftlich, sondern antiamerikanisch und korporativ. Von zentraler Bedeutung für die Konzeption dieser Neuen Rechten war die Idee, der Linken auf ihrem ureigenen Feld entgegenzutreten und einen Kulturkrieg zu führen, um die kulturelle Hegemonie zu erringen. Ein Ziel, das in erreichbare Nähe gerückt zu sein schien, als Benoist 1978 für sein Buch Vu de droite den Großen Essay-Preis der Académie française bekam und zusammen mit einigen seiner Anhänger in der neugegründeten Zeitschrift Figaro Magazine ein Forum mit Breitenwirksamkeit erhielt. Dieser Erfolg provozierte aber einen Rückschlag von unerwarteter Heftigkeit. Im Frühjahr 1979 inszenierte Le Monde eine Kampagne gegen die Nouvelle Droite und deren Einfluß auf die veröffentlichte Meinung, der sich nach und nach fast die gesamte französische Presse und dann auch die größeren Blätter und Zeitschriften im Ausland anschlossen. Daß dabei handfeste wirtschaftliche Interessen im Hintergrund standen Le Monde wollte gegen das Figaro Magazine ein eigenes, ähnliches Produkt plazieren sei nur am Rande erwähnt, wichtiger erscheint, daß die allgemeine Aufmerksamkeit, die die französische Neue Rechte für kurze Zeit genoß, mit ihrer Verdrängung aus den gerade erreichten publizistischen Positionen endete. Den sechsten Teil dieser auf insgesamt acht Folgen angelegten JF-Serie des Historikers Karlheinz Weißmann lesen Sie kommende Woche in der JF-Ausgabe 3/11. Foto: Verwurzelt: Versuche, ein geschlossenes Weltbild zu entwerfen |