© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Hauptsache weiblich
Personalpolitik: EU-Justizkommissarin Viviane Reding fordert sanktionsbewehrte Frauenquote / Deutsche Politikerinnen loben den ideologischen Vorstoß aus Brüssel
Paul Leonhard

Indra Nooyi ist die Chefin von Pepsi, Irene Rosenfeld steht Kraft vor und Ursula Burns Xenos. Und betrachtet man den Export-Vizeweltmeister Deutschland als Aktiengesellschaft, dann ist vielleicht Bundeskanzlerin Angela Merkel der wichtigste Wirtschaftsboß der Welt. Trotzdem sind in deutschen Chefetagen Frauen die Ausnahme. Die Unternehmen werden fast ausschließlich von Männern geführt. Von den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen sind zwölf Prozent weiblich – 80 Prozent davon sitzen aber auf der Arbeitnehmerbank.

Nach anderen Berechnungen waren in den 600 führenden börsennotierten Unternehmen 2008 nur 42 der 1.721 Vorstandsmitglieder Frauen, was einem Anteil von 2,4 Prozent entspricht. Mißt man nur die Vorstände der 100 größten deutschen Industrieunternehmen, kommt man auf eine Quote von 0,9 Prozent. Der Frauenanteil in deutschen Vorständen ist laut Karlsruhe Institute of Technology zwischen 1998 und 2008 von 1,2 auf 2,4 Prozent gestiegen.

Die lange Zeit von den Bundesregierungen favorisierte freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft hat wenig verändert. Deswegen hat Familienministerin Kristina Schröder (CDU) 2010 die Vorlage eines Gesetzes angekündigt, das eine Frauenquote für die Führungsebene der Unternehmen vorsah. Im Juni wurde sie aber von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ausgebremst. Zuvor hatten die Justizminister der Länder eine Arbeitsgruppe gegründet, die die rechtlichen Voraussetzungen einer „gesetzlichen Regelung für mehr Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen“ prüfen soll.

Der EU-Kommission reicht das nicht, sie droht nun mit gesetzlichem Zwang: „Am Thema Frauenquote kommen wir nicht vorbei.“ Zielgröße bei den börsennotierten Unternehmen sei ab 2015 ein Frauenanteil von 30 Prozent in den Aufsichtsräten, so EU-Justizkommissarin Viviane Reding, eine luxemburgische Christdemokratin. Für 2020 sind 40 Prozent avisiert. Vorbild ist die gesetzliche Regelung in Norwegen.

Von einem „richtigen Signal“ sprach Maria Böhmer, Chefin der Frauenunion. Ähnlich äußerten sich die Grünenfraktionschefin Renate Künast oder die SPD-Frauenexpertin Caren Marks. Für mehr weibliche Führungskräfte kämpft auch Bildungsministerin Annette Schavan. „Vor allem in den Spitzen von Unternehmen fehlt es noch zu oft an weiblichen Talenten“, kritisierte die CDU-Vizechefin auf der Tagung „Fit für die Zukunft – Frauenkarrieren in Unternehmen“. Für eine durchgreifende Veränderung „benötigen wir einen Frauenanteil in Führungspositionen von mindestens 20 Prozent“. Nur so blieben die deutschen Firmen in der globalisierten Wirtschaft wettbewerbsfähig, glaubt Schavan. Das sieht auch Klaus-Peter Müller so. „Im bevorstehenden Kampf um die besten Talente wäre die mangelnde Berücksichtigung von Frauen ein gravierender Nachteil im globalen Wettbewerb“, meint der Vorsitzende der Corporate-Governance-Kommission. Auch Leutheusser-Schnarrenberger nennt die geringe Frauenquote an der Spitze der Unternehmen inzwischen die „Achillesferse“ der deutschen Wirtschaft.

In Firmen der Privatwirtschaft ist nach Angaben des Bildungsministeriums die erste Führungsebene nur zu einem Viertel mit Frauen besetzt, auf der zweiten Ebene sei jede dritte Führungskraft weiblich. Mehrere Studien aus dem Programm „Frauen an die Spitze“ sollen belegen, daß sich ein hoher Anteil an Frauen in der Geschäftsführung positiv auf die Unternehmensleistung auswirke. Kritik an der Quote kommt von Angelika Dammann, Personalvorstand von SAP. Es dürfe nicht sein, daß Frauen ungeachtet ihrer Qualifikation in Führungspositionen gebracht werden. „Solch eine Quote können sich Wirtschaftsunternehmen nicht leisten“, sagte sie der FAZ. So hätten in Norwegen Frauen Aufsichtsratsposten erhalten, „die nicht unbedingt dafür qualifiziert waren“.

Auch andere Unternehmen halten wenig von einer Frauenquote. Sie vergeben Positionen geschlechtsneutral, ausschließlich auf Grundlage der fachlichen und persönlichen Eignung. Die Luft­hansa ist gar zu der Ansicht gelangt, daß eine „Quote ungeeignet ist, den Frauenanteil unter Führungskräften zu steigern“, schreibt das Handelsblatt. Und ein Konzern wie der deutsche Kosmetikriese Beiersdorf macht darauf aufmerksam, daß bei der Einführung einer Frauenquote „bei gleicher Qualifikation ein andersgeschlechtlicher – also in diesem Fall ein männlicher – Bewerber diskriminiert werden würde“.

Trotzdem haben sich einige Firmen dazu bekannt, die Frauenquote in Führungspositionen zu erhöhen. Der Versorger Eon will den Frauenanteil in den höheren Führungsetagen bis 2012 auf zehn Prozent steigern. Für Schlagzeilen sorgte die Ankündigung der Deutschen Telekom, in fünf Jahren 30 Prozent der mittleren und oberen Führungsetagen mit Frauen zu besetzen, wie Personalvorstand Thomas Sattelberger im März ankündigte. BMW will die Zahl weiblicher Führungskräfte (derzeit 15 bis 17 Prozent) bis 2020 verdoppeln.

Wie das konkret umgesetzt werden soll, ist unklar. Und wollen sich wirklich so viele Frauen, wie die Bundes- und Europapolitiker denken, den Streß einer Führungsposition mit 70-Stunden-Wochen antun? Die in derartigen Positionen üblichen langen Wochenarbeitsstunden ließen sich mit Hausarbeit und Kindererziehung kaum in Einklang bringen, sagt Elke Holst, Studienleiterin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Der Arbeitgeberverband BDA, der gesetzliche Quoten für den falschen Weg hält, hat angeregt, Frauen bessere Chancen zur Verwirklichung ihrer Berufskarriere einzuräumen. Dazu gehörten auch Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeitangebote, ein gesellschaftliches Umdenken bei der traditionellen Rollenverteilung sowie spezielle Förderprogramme.

Vor einer sanktionsbewehrten Quote wie in Norwegen schreckt man in Berlin noch zurück. Zumal diese eine weitere Einschränkung der Vertragsfreiheit und des Eigentumsrechtes darstellen würde. Schon heute sieht das deutsche Mitbestimmungsrecht vor, daß Aufsichtsratsmitglieder durch die Belegschaft und Gewerkschaften bestimmt werden.

 

Frauenquote in norwegischen Firmen

Im Jahre 2003 hat das norwegische  Parlament (Storting) auf Initiative des damaligen Wirtschaftsministers Ansgar Gabrielsen von der konservativen Partei Høyre ein Gesetz verabschiedet, das forderte, daß ab 2008 40 Prozent der Aufsichtsratsplätze im Staatssektor und bei über 500 großen Aktiengesellschaften von Frauen besetzt werden müssen. Bei Nichterfüllung der Frauenquote sind in dem Nicht-EU-Land harte Sanktionen vorgesehen – bis hin zum Ausschluß von der Börse, was für viele Firmen faktisch eine Liquidierung bedeutet. 2010 wurde eine Frauenquote von etwa 44 Prozent vermeldet. Inwieweit das den angedrohten staatlichen Zwangsmaßnahmen geschuldet ist, bleibt umstritten. Immerhin änderten wegen des Gesetzes zahlreiche Firmen ihre Rechtsform in Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die bislang noch nicht von der norwegischen Quotenregelung betroffen sind. Zu Zwangsauflösungen ist es daher nicht gekommen. Um genügend qualifiziertes weibliches Personal vorweisen zu können, mußte der Industrieverband NHO ein spezielles Förderprogramm einrichten.

Foto: Mit der Frauenquote an die Spitze: Bei gleicher Qualifikation würden männliche Bewerber künftig gesetzlich ganz offen diskriminiert

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