© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Unstillbarer Rohstoffhunger
Ressourcenpolitik: Nach Afrika engagiert sich China nun auch zunehmend wirtschaftlich in Südamerika
Michael Ludwig

Deutschland braucht wieder ein global tätiges Unternehmen, das sich – wie einst die Metallgesellschaft oder die Preussag – an der Exploration und Produktion von Rohstoffen direkt beteiligt. Wir brauchen wieder Besitz oder mindestens Beteiligungen an Bergwerken in der Welt“, forderte Friedbert Pflüger kürzlich in der Wirtschaftswoche. Kupfer, Wolfram, Titan oder Coltan würden wegen des enormen Bedarfs der Schwellenländer knapper und teurer (JF 45/10).

Darum müsse die deutsche Industrie mit EU-Partnern „ein schlagkräftiges Bergbauunternehmen aufbauen, das sich in Ländern wie Indien, Rußland, der Mongolei und Kasachstan neue Vorkommen sichert. Dabei bedarf es einer entschiedenen politischen Begleitung durch die Bundesregierung und die EU-Kommission.“ Ungewöhnliche Worte für einen CDU-Politiker, doch der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium ist inzwischen Direktor des European Centre for Energy and Resource Security in London.

Die chinesische Politik handelt diesbezüglich längst. Und daher fand beispielsweise ein von der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) organisiertes Treffen zwischen südamerikanischen und chinesischen Spitzenmanagern vorigen November im chinesischen Chengdu statt. Das Reich der Mitte ist dabei, die EU auch in Lateinamerika im Wettlauf um die sichersten und ergiebigsten Rohstoffquellen auszustechen. China sammelt Trümpfe, um selbst die dominante Stellung der USA dort langfristig in Frage zu stellen.

China schien sich zunächst auf die afrikanischen Länder zu konzentrieren, wo es mit einer Mischung aus Freigebigkeit, Dritter-Welt-Komplizenschaft und politischer Handreichung daranging, sich die dortigen Bodenschätze zu sichern (JF 4/10). Seit einiger Zeit sind auch die Staaten südlich des Panamakanals im Pekinger Fokus – der bilaterale Handel wächst seit 2005 doppelt so schnell wie der gesamte chinesische Außenhandel, nämlich um 26 Prozent bei den chinesischen Exporten nach Lateinamerika und um 23 Prozent bei den Importen aus dieser Region. Hält diese Entwicklung an, wird Südamerika schon in zwei Jahren mehr Waren nach China exportieren als in die EU und von dort mehr einführen als aus Europa. Gleichzeitig verringert sich der Handel Lateinamerikas mit den USA.

Chinas größter Hunger gilt vor allem Energie. Der staatliche Ölkonzern CNOOC kaufte kürzlich für 3,2 Milliarden Dollar die Hälfte der argentinischen Ölholding Bridas Energy. Zuvor war China bereits mit Venezuela handelseinig geworden. In einem entsprechenden Förderabkommen wurde vereinbart, daß Peking pro Tag 400.000 Barrel Öl erhält; im Gegenzug verpflichtet es sich, Geld in einen Entwicklungsfonds einzubringen, aus dem die linkspopulistische Regierung in Caracas Infrastrukturprogramme fördert. In Brasilien stieg China in das Offshore-Programm des Ölriesen Petrobras ein und bekommt dafür zehn Jahre lang 200.000 Barrel pro Tag.

In Peru und in Chile ist China am Abbau von Kupfer beteiligt, aus anderen Gegenden des Subkontinents bezieht es Fleisch, Soja und Eisenerz. Kuba verkauft 26,6 Prozent seiner Waren – vor allem Nickel und Zucker – an den großen ideologischen Bruder in Asien. Nach Angaben der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPAL) kamen im vergangenen Jahr 28 Prozent aller Investitionen von nordamerikanischen Firmen – auf dem zweiten Platz rangierte China mit 18 Prozent.

„Die Chinesen haben Afrika erobert – jetzt wollen sie stärker in der Rohstoffregion Südamerika Fuß fassen“, brachte es José Augusto de Castro, Direktor des brasilianischen Außenhandelsverbands AEB, auf den Punkt. Anfangs schickte China vor allem Spielwaren, Schuhe oder Textilien nach Südamerika. In den letzten Jahren verlagerte sich das Angebot auf höherwertige Produkte wie Autos, Elektronik- und Haushaltsgeräte. Die massenhaften Billigangebote führen allerdings zu erheblichen Spannungen. Allein 2009 haben Argentinien, Brasilien und Kolumbien über 30 Anti-Dumping-Untersuchungen eingeleitet. Auch die chinesische Praxis, Rohstoffe aufzukaufen und die daraus produzierten Waren an die Lieferanten wieder teurer zurückzuverkaufen, weckt alte Erinnerungen: „Wir sind schon einmal kolonisiert worden und wollen es nicht wieder werden. Wir möchten Partner sein“, warnte der Geschäftsführer der brasilianischen Mediengruppe ABC, Nizan Guanaes.

Sorge bereitet den lateinamerikanischen Regierungen auch, daß infolge der gestiegenen Nachfrage nach Lebensmitteln Ausländer im großen Stil fruchtbares Ackerland kaufen. Obwohl beim „Land Grabbing“ noch keine größeren Anstrengungen von chinesischer Seite zu beobachten sind, hat Brasilien in diesem Jahr vorsorglich den Erwerb von größeren Ländereien an ausländische Firmen oder Privatpersonen begrenzt. Auch Argentinien und Uruguay wollen entsprechende Gesetze erlassen. Trotz aller Probleme wollen die Länder südlich des Panamakanals die Handelsbeziehungen zu Peking weiter ausbauen.

In Mexiko und in den mittelamerikanischen Staaten ist die Stimmung hingegen schon umgeschlagen. China hat im Rahmen seiner Exportoffensiven große Marktanteile im nordamerikanischen Wirtschaftsraum hinzugewonnen, vor allem beim Verkauf von Textil- und Lederwaren. Diese Produkte wurden traditionell südlich des Rio Grande hergestellt und dann nach Kanada und in die USA geliefert.

Vor allem Mexiko dürfte es künftig noch schwerer haben, seine Devisen in den USA zu verdienen, denn es wird erwartet, daß beispielsweise die immer stärker werdende chinesische Automobil­industrie die mexikanische Konkurrenz zunehmend unter Druck setzt. Das gilt auch für den Volkswagen-Konzern, der seit 1964 im mexikanischen Puebla produziert – 80 Prozent der Mexiko-VWs gehen in den Export.

 

Deutscher Auslandsbergbau

Laut einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gibt es nur noch 83 deutsche Unternehmen, die selbst oder über Tochterfirmen bzw. Beteiligungen mineralische bzw. energetische Rohstoffe im Ausland gewinnen. Es sind größtenteils alteingesessene Unternehmen mit langer Erfahrung in ihrem Marktsegment. Deutsche Rohstofffirmen sind nur in 63 Ländern im Auslandsbergbau tätig. Die Mehrheit der deutschen Firmen ist in der Gewinnung von Baurohstoffen aktiv. Torf und Humus liegen an zweiter und Industrieminerale an dritter Stelle. Noch hinter den Energierohstoffen landet der Metallerzbergbau. Nach dessen Ende in Deutschland Anfang der neunziger Jahre sind nur noch vier deutsche Firmen an einem Metall- bzw. Metallrohstoffabbau im Ausland beteiligt. Lediglich zwei deutsche Firmen gewinnen Edelsteine im Ausland. Die Mehrheit der neueren deutschen Auslandsaktivitäten konzentriert sich auf Projekte in Osteuropa.

BGR-Beiträge zur Rohstoffwirtschaft:  www.bgr.bund.de

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