© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Zweierlei Maß in Brüssel
Verbot der Leugnung kommunistischer Verbrechen: EU-Kommission weist Antrag ehemaliger Ostblockstaaten ab
Paul Leonhard

Die EU-Kommission hat das von sechs ehemaligen Ostblockstaaten geforderte europaweite Verbot der Leugnung kommunistischer Verbrechen abgelehnt. Ihre Entscheidung begründete die Kommission mit einem Bericht des spanischen Politologen Carlos Closa Monter. Der hatte darauf hingewiesen, daß bisher kein europäisches Gericht derartige Strafen verhängt habe. Auch sei der rechtliche Umgang mit kommunistischen Verbrechen in den EU-Staaten völlig unterschiedlich.

Die Antragsteller Bulgarien, Lettland, Litauen, Rumänien, Ungarn und Tschechien zeigten sich von der Entscheidung wenig überrascht. Er habe mit einer derartigen Entscheidung gerechnet, zitierte Radio Prag den tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg. Mit der Initiative habe man darauf aufmerksam gemacht, daß die Opfer kommunistischer Regime zu oft in Vergessenheit gerieten.

Es war nicht das erste Mal, daß sich osteuropäische Politiker bei der EU darum bemühten, daß nationalsozialistische und kommunistische Verbrechen gleich wahrgenommen und verurteilt werden. So scheiterte während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft der Versuch, eine Plattform für die Erforschung totalitärer Regime zu schaffen.

„Mit viel List wird versucht, die Vergangenheit des Kommunismus zu relativieren“, hatte der Pole Wojciech Roszkowski im Namen der UEN-Fraktion im April 2008 gesagt, als die Erklärung der EU-Kommission zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen durch totalitäre Regime diskutiert wurde. Bei der Bewertung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit messe die Welt immer noch mit zweierlei Maß, kritisierte sein ungarischer Fraktionskollege László Tölés: „Anders als der Faschismus ist der Kommunismus noch nicht unter Klage gestellt worden.“

Der Este Tunne Kelam (PPE-DE) zeigte sich damals enttäuscht, daß weiterhin das Leitmotiv der Kommission sei, „daß die Bewertung des kommunistischen Totalitarismus eine innere Angelegenheit des jeweiligen Landes“ sei. Andererseits würden Nazismus und Faschismus in keinem der EU-Mitgliedsstaaten als innere Angelegenheit betrachtet. Angesichts dieser Politik müßten sich die noch lebenden Opfer kommunistischer Gewalt und deren Nachkommen als „Opfer zweiter oder dritter Klasse vorkommen“. Auch aus Sicht des Balten Girts Valdis Kristovskis (UEN) werden die Opfer des totalitären Sowjetregimes durch die EU-Haltung „faktisch weiter gedemütigt“.

Der französische Historiker und Herausgeber des „Schwarzbuches des Kommunismus“, Stéphane Courtois, hatte bereits 1997 darauf hingewiesen, daß der Kommunismus mit seinen 100 Millionen Opfern „für eine absolut fundamentale Tragödie des 20. Jahrhunderts“ verantwortlich ist und prophezeite, daß die Analyse dieser Verbrechen „sehr lange dauern und sehr schmerzvoll sein“ werde: „Wer das 20. Jahrhundert verstehen will, muß die beiden unheilbringenden Systeme gleichzeitig betrachten.“

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