© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Warten auf einen Titanen
Linksruck der Union: Viele Konservative, die politisch heimatlos geworden sind, engagieren sich in einer Kleinpartei
André Freudenberg

Sie tauchen in keiner Statistik auf und gehören eher zu den „Stillen“ im Land. Im Internet sind sie häufig als engagierte Kommentatoren in Blogs und politischen Foren vertreten. Die Rede ist von politisch hochgradig interessierten Bürgern, die der Linksruck der Union um ihre politische Heimat gebracht hat. Gerne wären sie aktiv, aber wo bitteschön?

Liefe alles nach den Vorstellungen der Parteispitzen von CDU und CSU, dürfte es diesen Personenkreis gar nicht geben. Denn schließlich habe die CDU ja die „Verpflichtung, die Integration der demokratischen Rechten in einer Partei der Mitte zu leisten“, so der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch. Irgend etwas muß dabei allerings schiefgegangen sein, denn in den vergangenen Jahren haben sich zahllose Konservative von der Union abgewandt. Die meisten bleiben Namenlos,  zu den bekanntesten gehört der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Werner Münch.

Doch längst nicht alle Unzufriedenen treten aus. Ein Teil versucht in der Union oder sogar in der FDP zu „überwintern“. Markus Wagner, ehemaliger Bundesvorsitzender der 2007 aufgelösten Schill-Partei, schätzt deren Zahl auf rund zehn Prozent. Er selbst gehört zu jenen, die der CDU schon in den neunziger Jahren den Rücken gekehrt haben. Seit dem Ende der Schill-Partei lebt er politisch enthaltsam und konzentriert sich auf seinen Beruf. In den Fingern jucke es ihn dennoch, vor allem „wenn man das aktuelle Geschehen weiter verfolgt.“

Janek Gola verließ die CDU erst 2010. Der 59 Jahre alte Fahrradhändler aus Großzimmern bei Darmstadt tat diesen Schritt „nach langer und reiflicher Überlegung“, unter anderem weil er das „C“ vermißte. Er ist jetzt Landesvorsitzender der christlichen AUF-Partei in Hessen, die wie viele Kleinparteien noch auf ihren Durchbruch wartet. Doch, so der ehemalige Leipziger DSU-Stadtrat Karl-Heinz Obser, sei es allemal besser, die bescheidenen Möglichkeiten, die eine solche Gruppierung bietet, zu nutzen, „um nicht in völlige Inaktivität zu verfallen“. Aber viele Konservative, die den etablierten Parteien entsagt haben, sind skeptisch, was die Erfolgsaussichten einer neuen Gruppierung anbelangt. Eine Partei, die viele Leute anzieht, müßte sich, so Wagner, „auf kleiner Basis gründen, und zwar mit Köpfen, mit tatsächlich bekannten Leuten“, denn nur sie garantierten Medienaufmerksamkeit. Fast genauso wichtig sei es, den vorpolitischen Raum zu besetzen, um „Druck zu erzeugen“.

Kai Mader vom „Bündnis für Freiheit und Demokratie“, das eine „Zusammenführung der zahlreichen Kleinparteien im freiheitlich-konservativen und patriotischen Lager“ anstrebt, glaubt, „daß man innerhalb eines Jahres bis zu zehntausend Leute aktivieren kann, Mitglied zu werden, wenn man es richtig anstellt und geeignete Führungspersonen findet.“ Darunter versteht er „Leute, die sich schon einen Namen gemacht haben mit Aussagen, die in der Bevölkerung auf große Zustimmung gestoßen sind.“

Auf diese Leute wartet auch Karl-Heinz Obser. Diese Persönlichkeit müsse allerdings „Eigenschaften eines Titanen besitzen und auf der politischen Bühne mit allen Wassern gewaschen sein“. Hoffnung setzt er, wie etliche andere, auf einen „raschen Grabenbruch in der CDU/CSU“, da dies eine politische Dynamik auslöse, „die dem bisherigen Handlungs- und Erwartungsstau entspricht“.

Die Folgen der erzwungenen politischen Abstinenz seien „ein Ansteigen der Politikverdrossenheit“ sowie eine „Ungleichgewichtslage im demokratischen Spektrum und der Wegfall ernsthafter christlicher und nationaler Politikbeiträge“, resümiert der Greifswalder Rechtswissenschaftler Ralph Weber. Konservativen empfiehlt er die „Sammlung Gleichgesinnter in Kleingruppen und ständiges Erinnern an den fatalen Linksruck in der CDU“. Dieser veranlaßte auch Patrick Schenk zum Verlassen der Union. Der Frankfurter Kommunalpolitiker rechnet in spätestens zwei Jahren mit einer neuen erfolgreichen konservativen Partei. Viele parteipolitisch heimatlose Konservative hoffen, daß er recht behält.

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