© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Rettung einer romantischen Ruine
JF-Serie Rekonstruktionen (5. Folge): Junge Leute kümmern sich um den Wiederaufbau der Wallwitzburg in Dessau
Claus-M. Wolfschlag

Wer dem Klischee anhängt, der Einsatz für bauliches Erbe sei eine Angelegenheit älterer Semester, am Ende gar nur einer nostalgisch gestimmten Kriegsgeneration, dürfte sich beim Blick auf viele Rekonstruktionsinitiativen rasch eines Besseren belehrt sehen. Viele junge Menschen engagieren sich in der Rekonstruktionsbewegung. Ein Beispiel ist der Dessauer Verein „Wallwitzburg“. Gerade 19 Jahre alt war der damalige Schüler Martin Förster, als er bei einem Spaziergang im Gartenreich von Dessau-Roßlau auf die Ruine der Wallwitzburg stieß.

Die Wallwitzburg ist ein Ende des 18. Jahrhunderts erbauter Aussichtsturm, der ursprünglich in romantischer Attitüde einen mittelalterlichen Burgrest simulieren sollte. Aus der scheinbaren Ruine wurde eine tatsächliche, als sich im Zweiten Weltkrieg dort deutsche Truppen aufhielten und unter alliierten Artilleriebeschuß gerieten. In den Folgejahren wurde das beschädigte Gebäude als Steinbruch genutzt und verfiel zu DDR-Zeiten zunehmend. Danach folgte manche Zerstörungswut von Halbstarken, bis Martin Förster seine Liebe zu der Ruine entdeckte und 2006 mit einigen Kumpanen den Verein „Wallwitzburg Dessau“ ins Leben rief: „Alles war damals ungepflegt, zugewachsen und zerstört.“

Daß auch die Wiederherstellung verfallener Gartenarchitektur in den Bereich der Rekonstruktionsbewegungen fällt, zeigte unlängst bereits die gerade der Öffentlichkeit übergebene skurrile Feldstein-Pyramide in Garzau bei Strausberg. Und so setzten sich Förster und seine Freunde das Ziel, das romantische Park-Gebäude komplett wiederherzustellen.

Da Dessau europäische Fördermittel aufgrund der Hochwasserkatastrophe von 2002 erhielt, konnte die Stadt selber an eine Grundsicherung gehen. Mauerlücken wurden geschlossen, der Turm somit statisch stabilisiert, eine stählerne Wendeltreppe angefügt, die zur neu erschlossenen Aussichtsplattform führt.

Doch es blieb bei dieser Teilherstellung. Das rief Förster und seine Freunde auf den Plan. Viele Arbeitseinsätze folgten. „Wir wollten einfach aktiv anpacken, haben uns eine Schubkarre geschnappt und alte Sandsteinstufen eigenhändig wiederhergestellt. Das war überhaupt nicht behördlich abgesichert, aber der ganze Bürokratiekram war von uns anfangs auch gar nicht geplant“, erzählt er.

Um die Arbeit voranzutreiben, fingen die jungen Leute an, Kulturveranstaltungen zu organisieren und Geld zu sammeln. Insgesamt 25.000 Euro, davon 10.000 Euro Unterstützung von Lotto-Toto und der Sparkasse, kamen zusammen. Eine umgekippte und vermooste barocke Sandsteinvase am Fuß des Wallwitzhügels wurde vom Verein damit wiederhergestellt. Derzeit ist man am Bau des Erkers samt Turmzimmer. Dieser Bauabschnitt soll Ende des Jahres erledigt sein. Danach ist erst einmal ein Zwischenstopp angesagt. „Die Fördermittelbindung der ersten Sicherung durch die Stadt besteht bis 2023. So lange darf die moderne Stahlwendeltreppe nicht abgerissen werden. Danach wollen wir den alten steinernen Treppenturm aber wieder komplett herstellen“, erläutert Martin Förster, der mittlerweile Architektur studiert. 60.000 Euro müssen bis 2023 noch einmal zusammenkommen, davon etwa die Hälfte in Eigenarbeit durch den kleinen Verein.

Die Wallwitzburg ist übrigens nur die Ausgangsbasis des engagierten Vereins, der sich darum bemüht, an der nahen Elbe ein Kulturzentrum aufzubauen. Das marode Elbhafengelände, das man übernehmen wollte, wird dem Verein aus eigentumsrechtlichen Gründen vorenthalten. Also kaufte man gerade ein daneben gelegenes altes Bahnhofsgebäude, das nun als Vereinsheim hergerichtet werden soll.  www.wallwitzburg.de

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