© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Adel verpflichtet
Interview: Der Unternehmensberater Harald von Seefried über die Fehler der Politik in der Finanzkrise und den Bildungsstandort Deutschland
Wolfhard H. A. Schmid

Herr von Seefried, Sie haben seit 1984 in Zürich eine Unternehmensberatung, der Sie mit Adlitz AG den gleichen Namen wie Ihrem fränkischen Familiensitz nahe Bayreuth gegeben haben. Was waren die Gründe für diese Wahl?

Seefried: Wir sind 1980 nach Zürich umgezogen, wo wir seither unseren Lebensmittelpunkt haben. Den Standort haben wir primär aus beruflichen Gründen gewählt, aber auch wegen der politischen und wirtschaftlichen Stabilität der Schweiz. Mit dem Namen wollten wir der Verbundenheit mit unserer Heimat Ausdruck geben. Unsere Herkunft wollen wir nicht verleugnen.

Der Erhalt Ihres Familienschlosses Adlitz erfordert sehr viel Geld.

Seefried: Alles, was wir für die Sanierung und den Unterhalt benötigten, ist in den letzten Jahre aus dem Gewinn meines Unternehmens geflossen, mal mehr, mal weniger. Schloß Adlitz ist reiner Wohnsitz. Bei der Sanierung haben wir immer wieder über eine wirtschaftliche Nutzung des Anwesens nachgedacht. Doch ein Hotel für eine zweimonatige Sommersaison mit einer Auslastung ausschließlich während der Bayreuther Festspiele, das lohnt sich nicht.

Traditionelle Werte verlieren immer mehr an Bedeutung. Lohnen sich da solche aufwendigen in die Zukunft gerichteten Anstrengungen überhaupt noch?

Seefried: Meine Frau gehörte mit ihrer Familie zu den Flüchtlingen aus Schlesien. Für sie und für mich war es äußerst wichtig, eine Heimat zu schaffen, besonders auch im Hinblick auf unsere beiden Kinder und die drei Enkelkinder.

Wie stehen Ihre Kinder zu diesem Besitz und der großen Verantwortung?

Seefried: Ich versuche, ihnen keine Angst vor dem enormen Erhaltungsaufwand zu machen. Ihnen ist schon klar, daß für die Fortsetzung des Erhalts ein bürgerlicher Beruf notwendig ist. Inzwischen betreiben mein Sohn und ich die jahrzehntelang verpachtete Land- und Forstwirtschaft in eigener Regie. Eine Tätigkeit, die die Bindungswirkung an Adlitz und die wunderschöne Landschaft wesentlich verstärkt.

Die in der Finanzkrise in die Pleite gerutschten Banken waren von Managern geführt, die nicht persönlich haften mußten. So war der Aktionär oder häufig auch der Staat (Steuerzahler) der Geschädigte. Muß das Prinzip Haftung nicht wieder ins Wirtschaftsleben zurückkehren?

Seefried: Die persönliche Haftung ist ja die Stärke des Mittelstandes, geprägt durch eine langfristige Perspektive mit allen unternehmerischen Abwägungen. Diejenigen, die griechische Papiere gekauft haben, wie etwa die Vorstände der Bank HRE, müßten auch persönlich haften – was leider nicht der Fall ist.

Deutschland scheint die Weltfinanzkrise dennoch ganz gut überstanden zu haben. Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Lage?

Seefried: Nach wie vor ist der deutsche Mittelstand der Träger unserer Wirtschaft. Das politische Umfeld ist aber ein Risiko. Schwarz-Gelb bringt nichts zustande. Immer mehr werden sozialistische Forderungen im voraus erfüllt, in der fragwürdigen Hoffnung, damit den linken Parteien das Wasser abgraben zu können – was nicht funktioniert, wie die Umfragewerte zeigen.

Mit dem Regierungswechsel 2009 hatten viele Unternehmer und Selbständige aber große Hoffnungen verbunden.

Seefried: Das Erscheinungsbild der Bundesregierung ist katastrophal, aber nicht nur das. Auch die Politikinhalte sind fragwürdig, speziell die Griechenlandhilfe und das Euro-Rettungsschirmgesetz. Wenn man die Entwicklung so betrachtet, müßten auch die Politiker für ihre Vorgehensweise haften.

Hat Ihr Sohn Moritz deshalb im August in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz (2 BvR 1896/10) eingereicht?

Seefried: Wir werden notfalls auch bis zum Europäischen Gerichtshof gehen. Wer sich jetzt nicht engagiert, braucht sich in einigen Jahren nicht zu beschweren, wenn die deutschen Bürgschaften in Anspruch genommen werden. Griechenland wird seine Schulden natürlich nie zurückzahlen können.

Was halten Sie von der Nutzung der Schweizer Steuersünder-Dateien durch deutsche Finanzbehörden?

Seefried: Den Ankauf halte ich für völlig richtig. Die Schweizer Banken waren „bösgläubig“. Sie holten sich keine Auskünfte über ihre Anleger ein und akzeptierten Decknamen. Solche Geschäfte waren und sind immer aktive, strafbare Beihilfe zur Steuerhinterziehung gewesen. Aus diesem Grunde hat die Adlitz AG nie diesen zugegebenermaßen sehr lukrativen Zweig der Vermögensverwaltung betrieben. Ich bin deshalb ausdrücklich dafür, daß die Auswertung der Dateien auch erfolgt, um die beteiligten Schweizer Bankiers, Rechtsanwälte und Treuhänder in Deutschland strafrechtlich zu verfolgen.

Eine Ursache für die Finanzkrise waren auch die fragwürdigen Bewertungen von Finanzpapieren durch die drei US-Ratingagenturen. Brauchen wir da mehr Konkurrenz?

Seefried: Eine europäische Rating-Agentur ist absolut erforderlich! Sie muß aber auf privatwirtschaftlicher Grundlage entwickelt und geführt werden.

Sie sind in der Schweiz auch als Honorar-Professor tätig. Warum nehmen Sie auch diese Zusatzbelastung auf sich?

Seefried: Die pädagogischen Erfahrungen mit jungen Studenten haben mir immer Freude gemacht. Ich habe Lehraufträge an den Universitäten Regensburg, Bayreuth und Leipzig wahrgenommen. Nach der Wende war ich sieben Jahre Professor in der Ukraine. Von diesem Land mit seinen reichen Bodenschätzen und seinem Potential für die Schwerindustrie bin ich inzwischen zutiefst enttäuscht und übe meine Professur dort nicht mehr aus.

Wie beurteilen Sie den Bildungsstandort Deutschland?

Seefried: Ich finde in der Breite des Ausbildungsangebotes sehr viel Positives. Kritisch sehe ich allerdings die Bildungspolitik unseres Staates. 2009 sind etwa 60.000 Jungakademiker direkt nach dem Studium in die Arbeitslosigkeit abgerutscht. Als Beispiel möchte ich die vielen unvermittelbaren Juristen ohne Prädikatsexamen nennen, die gezwungenermaßen auch zu der hohen Zahl der Rechtsanwälte in Deutschland beitragen. Insgesamt fördert der Staat sehr oft eine für die jungen Leute vermeintlich attraktive Berufs- und Arbeitsausbildung, die völlig am Bedarf der Wirtschaft vorbeizielt. Hier muß es Änderungen geben und dabei darauf geachtet werden, daß die an sich begrüßenswerten Investitionen in die Bildung nicht an einer Mengenstatistik ausgerichtet werden.

Wie sehen Sie Ihre eigene und die Zukunft des deutschen Adels insgesamt?

Seefried: Ganz kapitalistisch! Die Chancen für die Zukunft entwickeln sich aus dem Wettbewerb, wie überall, nicht nur beim Adel. Die Schwachen werden untergehen und die Starken werden sich auch in Zukunft behaupten. Allerdings sehe ich eine Gefährdung durch das Erbschaftssteuergesetz.

 

Ein überzeugter Marktwirtschaftler

Freiherr Harald von Seefried stammt aus einem brandenburgischen Adelsgeschlecht. Er war zunächst Referent im Unternehmensimperium von Wolff von Amerongen und später Alleingeschäftsführer der Versicherungsholding der Deutschen Industrie. 1984 gründete er in Zürch die Unternehmensberatung Adlitz. In diesem Jahr wurde ein weiteres Büro im Kanton Zug eröffnet. „Ich bin jetzt 68 und denke, daß ich noch fünf Jahre tätig bin“, sagt von Seefried, der ein überzeugter Marktwirtschaftler ist. Dies geht auch aus seinem Geleitwort zum Neudruck des 1932 letztmals herausgegebenen Werkes „Die Gemeinwirtschaft – Untersuchungen über den Sozialismus” des liberalen Ökonomen Ludwig von Mises hervor. „Wir leben heute in einer Zeit, in der in beängstigender Weise die Parolen des Sozialismus wieder auferstehen“, schreibt von Seefried. Dies seien „Phrasen, mit denen politische Hasardeure, die es besser wissen oder zumindest besser wissen müßten, Sympathisanten und Wähler um sich scharen. Schlimmer noch, die bürgerlichen Parteien übernehmen immer wieder in der Sucht nach Wählergunst Module der sozialistischen Parteiprogramme in der Hoffnung, so dem politischen Gegner das Wasser abzugraben. Sie verlieren hierbei ihre eigene Identität.”

 

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