© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Die Euro-Rettung entzweit Europa
Heiliger Martin
Wilhelm Hankel

Europas politische Klasse lernt jetzt, mit wieviel Dynamit sie den Integrationsprozeß befrachtet hat: Immer mehr Euro-Staaten schlittern in den Staatskonkurs. Manche sind das gewohnt. Spanien stellte schon hundert Jahre nach der Entdeckung seiner überseeischen Gold- und Silberminen seine Staatszahlungen ein: Philipp II. hatte das Land ruiniert. Portugal lebte solange von seinen Kolonien, wie es sie militärisch sichern konnte. Anfang des 18. Jahrhunderts schloß es seinen selbstmörderischen Handelsvertrag mit England, der die Industrialisierung abwürgte. Fremdherrschaft hinderte Griechen und Iren daran, sich zu modernisieren.

Der Euro wurde für diese Länder zur Entwicklungsdroge schlechthin. Man versuchte in zehn Jahren aufzuholen, was man in hunderten versäumt hatte. Der Euro bescheinigte ihnen „Rating“, das diese nie besaßen. Davon profitierten zwar ihre Regierungen, nicht jedoch Gesellschaft, Staat und Wirtschaft. Man lebte auf Pump. Jetzt stellt diese Überschuldung die EU vor ein unlösbares Problem: Staaten, die aus rechtlichen Gründen keinen Konkurs anmelden dürfen, sind aus ökonomischen Gründen dazu gezwungen. Denn ein Staat ohne eigene nationale Währung geht wie jede Firma oder Bank pleite, wenn er nicht mehr zahlen kann. Für Länder, die nicht mehr ihr eigenes Geld drucken können, muß es die Europäische Zentralbank tun. Ergebnis: Mit der beschworenen Euro-Stabilität ist es damit vorbei!

Die Euro-Zone muß daher entweder das Prinzip der Währungsstabilität aufgeben oder sich von den Mitgliedern trennen, die nicht hinein gehören. Die Rettungspläne zur Vermeidung von Staats- wie Bankenkonkursen können nicht aufgehen: Die Summen sind für Kapitalmärkte und den deutschen Fiskus unerschwinglich. Und die auf Zeit geretteten Staaten werden das Geld auch nicht zurückzahlen; sie werden sich kein zweites Mal der Konkursgefahr aussetzen. Schließlich haben Frankreich und Deutschland das Vorbild geliefert, wie man EU-Verträge zur Makulatur werden läßt.

Was auch immer sich die Eurokraten an neuen Finanztricks und -manövern einfallen lassen (Eurobonds, Finanzkontrolle und so weiter): Der Lebensstandard der zu sanierenden Völker sinkt ab. Das nehmen diese Völker nicht nur ihren Regierungen übel, sondern auch ihren Helfern: Schuld sind die knickerigen Deutschen und Kanzlerin Angela Merkel. Das glaubt sogar ihr Finanzminister. Die Euro-Rettung führt Europa nicht zusammen, sie dividiert es weiter auseinander als je zuvor. Der EU ergeht es wie dem Heiligen Martin. Nachdem er den Mantel mit dem Bettler geteilt hatte, froren sie beide.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel leitete unter Karl Schiller die Währungsabteilung des Wirtschaftsministeriums und war Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht. Er veröffentlichte das Buch „Die Euro-Lüge und andere volkswirtschaftliche Märchen“.

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