© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Gleiche Maßstäbe für Kommunismus und Nazismus
Totalitarismus: Tschechien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und baltische Staaten wollen Leugnung kommunistischer Verbrechen unter Strafe stellen
Paul Leonhard

Wer in Polen die Hymne der Sowjetunion singt, macht sich strafbar. Auch das Tragen kommunistischer Symbole wie Hammer und Sichel oder Roter Stern ist seit 2009 verboten. Das ungarische Parlament hat ein entsprechendes Gesetz bereits vor sechs Jahren beschlossen. Die baltischen Staaten Lettland und Litauen folgten 2008. Nur Deutschland zeigt sich seltsam blind. So stößt die Initiative von sechs osteuropäischen Ländern in Berlin auf wenig Beachtung. Tschechien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Lettland und Litauen haben die Europäische Kommission in einem Schreiben aufgefordert, das Leugnen der Verbrechen des Kommunismus europaweit unter Strafe zu stellen. Totalitäre Systeme sollten mit dem gleichen Maßstab gemessen werden, sagte Tschechiens Außenminister Karl Schwarzenberg. Eine Leugnung der Verbrechen des Kommunismus sei völlig vergleichbar mit der Leugnung der NS-Verbrechen. Stalin habe letztlich noch mehr Menschen umgebracht als Hitler.

Nur ein Teil Europas ist sich der Verbrechen bewußt

Es ist nicht der erste Vorstoß in dieser Richtung aus Osteuropa. Bereits 2007 versuchten die baltischen Staaten bei der EU, die Verharmlosung von Kommunismus-Verbrechen unter Strafe zu stellen. Die Mehrheit der Justizminister lehnte das aus Rücksicht auf Rußland ab. Insbesondere Deutschland, das damals die EU-Ratspräsidentenschaft innehatte, stellte sich quer. Der damaligen Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ging es lediglich darum, „Mindeststandards in Europa zu schaffen, die die Leugnung des Holocausts beispielsweise verbieten“. Kommunistische Symbole sollten nicht einbezogen werden, „weil das eine neue Debatte eröffnet und damit auch die Schwierigkeit der Definition“.

Schon damals vermochten die Osteuropäer, die am meisten unter dem Kommunismus gelitten hatten und das von westlichen Historikern gepflegte Wunschbild des Kommunismus als „Befreier“1945 nicht teilen konnten, der deutschen Argumentation nicht folgen. Kommunismus und Nationalsozialismus seien beides Bewegungen, die auf die Unterdrückung der Menschenrechte ausgerichtet waren und die Hunderttausende bis Millionen Opfer auf der ganzen Welt gefordert haben, hielt Tschechiens damaliger Innenminister Ivan Langer entgegen: „Wenn wir gegen die Propagierung solcher Bewegungen kämpfen wollen, sollten wir keinen Unterschied zwischen Nazismus und Kommunismus machen.“

Das sei auch deswegen wichtig, weil „jeder die Verbrechen des Nationalsozialismus kennt, aber nur ein Teil Europas sich der Verbrechen des Kommunismus bewußt ist“, nahm jetzt Litauens Außenminister Audronius Azubalis diesen Gedanken wieder auf. Als Initiator für das Schreiben der sechs EU-Staaten beruft er sich auf eine Erklärung über die Verbrechen des Kommunismus, die weitgehend unbeachtet am 25. Februar 2010 von führenden europäischen Politikern, ehemaligen politischen Gefangenen, Menschenrechtlern und Historikern unterzeichnet worden war. Darin werden ein Verbot der Leugnung kommunistischer Verbrechen, mehr Unterricht über diese, die Strafverfolgung von kommunistischen Verbrechern durch ein internationales Gericht innerhalb der EU, die Errichtung einer Gedenkstätte und die Verringerung der Renten und Sozialleistungen für kommunistische Täter gefordert.

Ungarn hat im Juni gehandelt und das Leugnen, Anzweifeln oder Verharmlosen „der vom nationalsozialistischen oder vom kommunistischen System“ begangenen Verbrechen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren belegt.

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