© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Wettlauf um die Macht
Saarland: Peter Müller zieht es nach Karlsruhe
Hans Christians

Die Staatskanzlei des Saarlands hüllt sich in Schweigen. Nicht mal zu einem Dementi ließ sie sich hinreißen. Die Medienberichte, daß der saarländische Ministerpräsident Peter Müller im Herbst 2011 die Nachfolge Udo di Fabios als Richter am Bundesverfassungsgericht antreten solle (siehe Seite 2), haben den Deckmantel des Schweigens über die Regierungszentrale in Saarbrücken gelegt. „Die Frage stellt sich derzeit nicht“, hieß es in einer dünnen Erklärung.

Doch hinter den Kulissen ist die Ausgangslage längst klar. Dem Einser-Juristen Müller ist die beschauliche Welt des Saarlands zu klein. Schon 2005 stand er Gewehr bei Fuß, als Kanzlerin Angela Merkel das schwarz-rote Bündnis schmiedete, doch bei der Postenvergabe ging er leer aus. Als er bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst – vierzehn Tage vor der Bundestagswahl – 15 Prozent verlor, war er als möglicher Minister einer schwarz-gelben Koalition durchgefallen. Doch das politische Alphatier rettete sich noch einmal in das deutschlandweit erste Jamaika-Bündnis mit FDP und Grünen. Der Koalitionsvertrag kam erst nach monatelangem Tauziehen zustande und trägt die Handschrift der Grünen. Die CDU-Basis murrt und die Landes-FDP zerlegt sich nach bundespolitischem Vorbild selbst. Liberalen-Chef Christoph Hartmann, immerhin stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister, warf nach einer monatelangen internen Mobbing-Kampagne entnervt das Handtuch, und der Fraktionsvorsitzende Horst Hinschberger mußte auf massiven Druck der Partei zurücktreten, nachdem er ausgerechnet Strafanzeigen gegen die ehemaligen Landesminister Werner Klumpp und Horst Rehberger gestellt hatte. Die von Hinschberger unterstellten finanziellen Unregelmäßigkeiten bei der parteinahen Stiftung „Villa Lessing“, deren Kuratorium die beiden FDP-Altvorderen angehören, entpuppten sich nach bisherigem Ermittlungsstand als ziemliche Luftnummer. Hinschberger wird künftig ein Schattendasein als Hinterbänkler im Landtag fristen, mehrere Ortsverbände fordern gar seinen Parteiausschluß.

Die Grünen halten der Koalition die Treue

Die Nachfolge tritt der 29 Jahre alte Christian Schmitt an, der dem Landtag erst seit gut einem Jahr als Nachrücker angehört. Er übernahm das Mandat des amtierenden Gesundheitsministers Georg Weisweiler, der Anfang Januar gegen den 31 Jahre alten Bundestagsabgeordneten Oliver Luksic in einer Kampfkandidatur um den Landesvorsitz antreten wird.

Weisweiler gilt als Wunschkandidat der Koalition – der 63 Jahre alte Ex-Manager gilt als verläßlich und ausgleichend. Nach jahrzehntelanger CDU-Mitgliedschaft wechselte er erst vor drei Jahren zur FDP. An der Basis gilt er deshalb als Fremdkörper, bei den Vorstandswahlen im vergangenen Jahr fiel er mit Pauken und Trompeten durch. Der Bundestagsabgeordnete Luksic gilt dagegen als unberechenbar, ihm sagt man nach, er könne die Koalition scheitern lassen, um der FDP in der Opposition zu mehr Profil zu verhelfen.

Unterdessen ist die Debatte innerhalb der Union um Müllers Nachfolger längst entbrannt. Zwei Modelle werden diskutiert. Fraktionschef Klaus Meiser, Liebling der Basis und ehemaliger Innenminister, könnte die CDU als Ministerpräsident in die kommende Landtagswahl führen. Eine Neuauflage der Jamaika-Koalition gilt aufgrund der Schwäche der FDP als unwahrscheinlich. Meiser wäre im Jahr 2014 60 Jahre alt und am Ende seiner politischen Karriere angelangt. Seine Nachfolge in der Fraktion könnte im Fall einer Regierungsbeteiligung Landesgeneral und Hoffnungsträger Roland Theis, 30, übernehmen.

Als Ministerpräsidentin würde die bisherige Familien- und Sozialministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bereitstehen. Laut einer aktuellen Umfrage ist sie die beliebteste Politikerin des Landes. Daher gibt es auch in der CDU Stimmen, die sie schon im kommenden Herbst auf den Chefsessel in der Staatskanzlei fordern. Allerdings besteht die Furcht, die 48jährige könne im Fall einer verheerenden Wahlniederlage politisch „verbrannt“ werden. Immerhin: Einen Wechsel der Grünen ins rot-rote Lager müssen die Christdemokraten nicht fürchten. Bei den Grünen herrscht Landes- und Fraktionschef Hubert Ulrich mit harter Hand. Er und Linkspartei-Frontmann Oskar Lafontaine eint nur eins: ihre wechselseitige tiefe Ablehnung.

Foto: Regerunsgchef Peter Müller (CDU) im Landtag: Dem Einser-Juristen ist das Saarland zu eng geworden

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