© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ströbele und der Papst
Marcus Schmidt

In demokratischen Staaten gilt es als höchste Ehrenbezeugung für einen Staatsgast, wenn dieser vor dem Parlament des Gastlandes eine Rede halten darf. Entsprechend zurückhaltend ist der Deutsche Bundestag mit solchen Einladungen.

Dennoch wäre Deutschland nicht die Bundesrepublik, wenn die nun vom Ältestenrat des Parlamentes an Papst Benedikt XVI. ausgesprochene Einladung, während seines für September geplanten Besuches in Deutschland im Reichstag zu sprechen, nicht umgehend für schräge Reaktionen gesorgt hätte.

Ganz vorne mit dabei in der Liste der Bedenkenträger finden sich erwartungsgemäß die Grünen, allen voran Volker Beck und Christian Ströbele. Während Beck sich vom deutschen Papst persönlich herabgesetzt fühlt und dem Kirchenoberhaupt vorwirft, dieser sei „homophob“ und daher im Namen der Grünen offenbar etwas voreilig den Unmut über die Einladung äußerte, drohte Ströbele, der Rede gleich ganz fernzubleiben. „Der Heilige Vater fördert nach wie vor die Teufelsaustreibung. Das ist für mich eine Institution aus dem Mittelalter“, sagte er der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Und natürlich durfte auch der Vorwurf des Völkermordes nicht fehlen. Der Papst habe sich auf seiner Südamerikareise nicht zur Schuld der katholischen Kirche bekannt, klagte Ströbele und behauptete, die Kirche habe dort ganze Völker ausgelöscht.

Der Rückfall der Grünen in längst überwunden geglaubte antikirchliche Reflexe hat in Berlin für Irritationen gesorgt. Natürlich mußte sich da auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) umgehend zu dem Thema äußern. Er bezeichnete die Kritik aus den Reihen der Grünen als „schlicht und ergreifend kleinkariert“.

Schließlich sah sich die grüne Fraktionsspitze genötigt, Beck und Ströbele, die ansonsten in ihrer Fraktion weitgehend Narrenfreiheit genießen, wieder einzufangen. „Der Papst ist eingeladen, das ist in Ordnung“, verkündete Fraktionschefin Renate Künast knapp und merklich genervt, um Selbstverständliches hinzuzufügen: „Da gehen wir hin – und zwar respektvoll.“ Gleichzeitig schlug Künast vor, auch anderen Religionsführern Rederecht im Bundestag einzuräumen: „Uns liegt am Herzen, alle Religionsgemeinschaften gleich zu behandeln“, versicherte sie.

 Wesentlich pragmatischer als die Grünen geht die Linkspartei mit dem Thema um: „Wenn George Bush geredet hat, dann darf auch der Papst reden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch. Seine Partei werde Papst Benedikt XVI. „die gebührende Achtung“ zuteil werden lassen, es aber „nicht übertreiben“. Ein deutliches Rumoren in den Reihen der Genossen war dennoch zu vernehmen.

Unterdessen hat Ströbele dem Papst einen praktischen Vorschlag gemacht. „Wenn ich dem Papst bei seiner Rede eine Zwischenfrage stellen darf, dann würde ich mir überlegen, dazubleiben“, sagte der Grünen-Politiker. Ob der Papst auf die Anwesenheit Ströbeles aber überhaupt Wert legt, ist nicht bekannt.

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