© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

DVD: Epos
Die Passion des Kriegers
Daniel Körtel

Eingebettet in die Umbruchzeit um 1000 n. Chr., als in Nordeuropa das Christentum die heidnischen Götter verdrängte, erzählt der neu auf DVD erschienene dänische Film „Walhalla Rising“ die Passionsgeschichte des stummen Kriegers Einauge (dargestellt von Bond-Bösewicht Mads Mikkelsen aus „Casino Royal“).

Behandelt wie ein wildes Tier, muß Einauge in der Gefangenschaft schottischer Clan-Chiefs in den kargen Highlands als Gladiator auftreten. Ausgestattet mit übernatürlichen Kräften und angetrieben von Haß besteht er jeden Kampf. Seine Herkunft bleibt mysteriös; es heißt, er käme aus der Hölle, von der anderen Seite des Ozeans. Intensive Träume durchziehen den Halbblinden, die ihn wie einen Seher in die Zukunft blicken lassen.

Schließlich gelingt ihm die so vorausgeschattete Befreiung. An seiner Seite geht Are, ein kleiner Junge, zu dem er eine geradezu symbiotische Beziehung unterhält. Während Are für Einauge das Wort ergreift, gewährt dieser ihm Schutz. Gemeinsam schließen sie sich einer Gruppe christlicher Wikinger an, die zum Kreuzzug in das Heilige Land aufbricht, auf der Suche nach Reichtum und Vergebung für ihre Sünden.

Ihr Schiff gerät jedoch vom Kurs ab und bewegt sich durch einen unheilverkündenden dichten Nebel, der für den Männerbund zur ersten Glaubensprüfung wird. An deren Ausgang erreichen sie jedoch nicht das angestrebte Ziel im Nahen Osten, sondern die für sie unbekannte Küste Nordamerikas mit ihren üppigen, scheinbar menschenleeren Wäldern, in denen sie ein Neues Jerusalem aufbauen wollen. Doch orientierungslos, halb verhungert und dem überraschenden Angriff eines anonymen Gegners ausgesetzt, verwandelt sich der Weg der Wikinger zu einem Pfad in die Hölle.

Enttäuschte Hoffnungen, Glaubenszweifel und zunehmende Angst gehen dem Verfall der Gruppe in den Wahnsinn und ihrer Dezimierung voraus. Inspiriert durch seine Träume versucht Einauge hingegen zu entkommen und sich zurück zur Küste durchzuschlagen. Dort endet in der finalen Begegnung mit indianischen Kriegern sein Schicksalslauf, indem er mit heiterer Gelassenheit sein Leben hingibt als ein Selbstopfer für seinen jungen Begleiter Are.

Auch wenn „Walhalla Rising“ stellenweise an Stanley Kubricks „2001. Odyssee im Weltraum“ und vor allem Werner Herzogs Meisterwerk „Aguirre – Der Zorn Gottes“ erinnert, ist dem dänischen Regisseur Nicolas Winding Refn (Jahrgang 1970) ein eigenständiges verstörendes Drama epischer Qualität gelungen. Natur und Religion bilden die beiden Pole dieses Films, zwischen denen sich seine mittelalterlichen Akteure in ihren archaischen Verhaltensmustern bewegen. Düstere Landschafts- und Naturkulissen prägen – verstärkt durch höchst spärliche Dialoge und drastische Gewaltdarstellungen – die melancholische Atmosphäre dieses Kunstfilms, deren Bann sich der Zuschauer nur schwer entziehen kann. Der Münchner Merkur sprach von einem „archaischen Wikinger-Mythen-Spiel“, die Abendzeitung von „großen existentialistischen Abenteuer“.

Dabei steht über allem die ungemein beeindruckende Darstellung der Hauptfigur Einauge, die sowohl durch Mads Mikkelsens Einsatz als auch durch seine geschickte In-Szene-Setzung im Wechselspiel mit dem Licht zum Ende des Films hin die geradezu ikonische Form des Übermenschen annimmt.

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