© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

Euro, Euro über alles
EU-Finanzkrise: Deutschland bezahlt nun ein zweites Mal für die Einführung der Währungsunion
Wolfgang Philipp

Als der Euro 2002 als Bargeld eingeführt wurde, erhielt er in Deutschland schnell den Spitznamen „Teuro“. Obwohl ein Euro fast zwei D-Mark entsprach, sind heute zahlreiche Preise in Euro genauso hoch wie früher in D-Mark. Gleichzeitig wanderte viel Kapital aus Deutschland in vermeintlich rentierliche Auslandsanlagen (von griechischen Staatsanleihen bis zu irischen Bankpapieren) ab. Dies ist der erste Preis, den die Deutschen für die Einführung des Euro gezahlt haben.

Inzwischen muß Deutschland für die Einführung des Euro einen weiteren Preis entrichten: Seit mit Griechenland das erste Euro-Land seine Zahlungsfähigkeit verspielt hat, wird die Eurozone in eine Transferunion umgewandelt: Diejenigen Staaten, die gut gewirtschaftet haben, sollen für die Schulden der anderen haften – eine gespenstische Szene.

Mit dem Euro ist damit der „Mammon“ zum höchsten Wert in Europa erhoben worden. Eine fast gottähnliche Stellung erhielt die Gemeinschaftswährung gleich zu Beginn durch die Stadt Aachen, als diese im Jahre 2002 dem Euro als eine Art „goldenes Kalb“ den Karlspreis verlieh, weil er „wie kein anderer Integrationsschritt zuvor die Identifikation mit Europa befördert und damit einen entscheidenden, epochemachenden Beitrag zum Zusammenwachsen der Völkerfamilie leistet“. Eine solche Umwertung aller Europa bisher auszeichnenden Werte kann nicht gutgehen: „Der Herr aber schlug das Volk mit Unheil, weil sie das Kalb gemacht hatten.“ (Exodus 32, 35)

Zudem verstößt der am 9. Mai vom Europäischen Rat gefaßte Beschluß, einen durch Bürgschaften der Euro-Staaten abzusichernden „Schirm“ von 750 Milliarden Euro zu errichten, gegen den Lissabon-Vertrag. Danach haften die Union und die Einzelstaaten gerade nicht für die Verbindlichkeiten der Mitgliedsstaaten. Eine Ausnahme wird nur für den Fall zugelassen, daß in einem Land gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit Waren oder im Energiebereich auftreten oder Naturkatastrophen eine Notlage herbeigeführt haben. Ein solcher Tatbestand liegt eindeutig nicht vor: Rechtsbruch Nummer eins.

Abgesehen davon sind die Bürgschaften allenfalls dann zulässig, wenn es darum geht, die Zahlungsfähigkeit eines Eurostaates zu sichern. Im Falle Irlands ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Von Zahlungsunfähigkeit ist in Irland nicht der Staat, sondern sind die Banken bedroht. Ausländischen Banken zu helfen ist aber weder in den EU-Regeln noch in dem deutschen Begleitgesetz vorgesehen. Trotzdem soll Irland rund 85 Milliarden Euro erhalten, die teilweise unmittelbar, teilweise über den irischen Staatsetat den irischen Banken zugute kommen: Rechtsbruch Nummer zwei.

Die neue Irland-Hilfe soll jetzt unter anderem dadurch refinanziert werden, daß die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF, JF 48/10) erstmals am Kapitalmarkt 17,7 Milliarden Euro aufnimmt. Die Aussicht darauf, daß dieses Geld wirklich an die EFSF zurückfließt, ist ungewiß. Schon vor der aktuellen Irland-Krise lag allein die staatliche Pro-Kopf-Verschuldung auf der 4,5-Millionen-Einwohner-Insel bei über 23.500 Euro. Inzwischen übernahm der Staat zusätzliche Milliarden an privaten Bankschulden (JF 40/10). Es wird sich im Ergebnis eher um Zuschüsse als um Darlehen handeln. Es ist ein fundamentaler Grundsatz des Haushaltsrechts, daß nur Investitionen, nicht aber laufende Ausgaben mit Kredit finanziert werden dürfen. Genau darauf läuft indessen die jetzt abzusehende Vergabepraxis hinaus: Rechtsbruch Nummer drei.

Die EFSF wird durch Abschreibungen Verluste erleiden, die zu ihrer Insolvenz führen können. Denn die EFSF ist eine Aktiengesellschaft und kann sich nicht darauf verlassen, daß alle bürgenden EU-Staaten faktisch und haushaltsrechtlich rechtzeitig Zahlung leisten können. Deutschland haftet mit rund 27 Prozent der von der EFSF aufgenommenen Darlehenssummen. Dazu kommen – wenn auch im Rahmen des bisherigen Höchstbetrages für Deutschland von 119 Milliarden Euro – weitere 20 Prozent, welche die Ratingagenturen verlangt haben, um der EFSF das Spitzenrating „AAA“ verleihen zu können. Diese 20prozentige Zusatzhaftung bedeutet eine Ausfallhaftung der solventen Staaten für die Bürgschaften zahlungsschwacher Euro-Staaten. Auch das ist rechtlich höchst fragwürdig.

Die hier vor allem auf Deutschland zukommenden Verpflichtungen zerstören das Haushaltsgefüge und machen unser Land unregierbar. Fremde Völker und Banken bestimmen allein durch ihr unseriöses Finanzverhalten die deutsche Finanzlage. Der Rechtsstaat wird durch blankes Chaos abgelöst. Eine geordnete Haushaltsführung oder seriöse mittelfristige Finanzplanung wird unmöglich.

Eine gewisse Hoffnung besteht darin, daß die EFSF mangels Kreditwürdigkeit die von ihr bereitzustellenden Mittel möglicherweise gar nicht bekommt: Das „AAA“ ist ein Täuschungsmanöver, weil nur noch sechs von 16 EFSF-Staaten selbst dieses Rating aufweisen: Deutschland, Finnland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Österreich.

Dadurch werden nur 57 Prozent des gesamten vorgesehenen Kreditvolumens abgedeckt. Da die EFSF keine eigene Kreditwürdigkeit hat, kann es dahin kommen, daß sie betrügerisch handelt, wenn sie sich auf das Rating „AAA“ beruft: Die „Sicherheit“ der Gläubiger der EFSF ist nur so gut wie die Zahlungsfähigkeit und damit auch das Rating der einzelnen Bürgschaftsstaaten. Das Rating der EFSF spielt keine Rolle. Die Bürgschaftsstaaten haften nicht als „Gesamtschuldner“, sondern als Teilbürgen, deren Bonität sehr unterschiedlich ist. Dazu kommt, daß sowohl die Darlehensverträge als auch die Bürgschaften wegen zahlreicher Verstöße gegen das EU-Recht und das nationale deutsche Recht möglicherweise nichtig sind.

Das alles ist der zweite Preis, den das deutsche Volk für die Einführung des Euro zu entrichten hat: Euro, Euro über alles – auch über das Recht!

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