© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Vorweihnachtlicher Reisekrieg
Marcus Schmidt

Das „Phänomen“ Guttenberg läßt die politischen Beobachter in Berlin zunehmend ratlos zurück. Die Opposition, so scheint es, hat eh schon die Hoffnung aufgegeben, den „beliebtesten Politiker“ des Landes (Umfragen) und „Mann des Jahres“ (Focus) in absehbarer Zeit zu entzaubern.

Da kam der Blitzbesuch von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Anfang der Woche in Afghanistan, bei dem er von seiner Frau Stephanie begleitet wurde, wie gerufen. Die Opposition kritisierte den Besuch prompt äußerst scharf. „Ich finde, Frau Katzenberger fehlt noch“, ätzte SPD-Chef Sigmar Gabriel in Anspielung auf das gleichnamige TV-Sternchen, während die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth dem Minister „plumpe Eigen-PR“ vorwarf. Linksfraktions-Chef Gregor Gysi hielt Guttenberg Selbstinszenierung vor, die dem Ernst der Lage in Afghanistan nicht gerecht werde. „Die Soldaten werden so gleich doppelt mißbraucht: für einen falschen Krieg und nun auch noch als Staffage auf den heimatlichen Bildschirmen“, sagte Gysi dem Tagesspiegel.

Wer mit den Soldaten spricht, die am Hindukusch auf Beschluß des deutschen Parlamentes ihren Dienst leisten und täglich ihr Leben riskieren, bekommt ein etwas anderes Bild. Obwohl jeder Politikerbesuch für die Truppe in Afghanistan eine Mehrbelastung bedeutet, wissen die Soldaten sie dennoch zu schätzen. Für sie bedeutet jeder Besucher, in dessen Troß immer eine stattliche Zahl Medienvertreter reist, ein bißchen Aufmerksamkeit und Anerkennung für ihren Einsatz.

Guttenberg weiß das und war daher nun bereits das siebte Mal in seiner Amtszeit als Verteidigungsminister in Afghanistan. Alle zwei Monate, so hat er sich vorgenommen, will er sich vor Ort ein Bild der Lage machen. Ihm wird in der Truppe hoch angerechnet, daß er sich dabei auch in den vordersten Linien, im Kampfgebiet sehen läßt. Daß Guttenberg dabei, auch dank eines gewieften Beraterstabes, meistens eine gute Figur macht und die entsprechenden PR-tauglichen Bilder produziert, hat die Opposition schon lange gewurmt. Doch da sie einem Verteidigunsgminister schwerlich vorwerfen konnte, er besuche „seine“ Soldaten zu häufig, fielen die Reaktionen nun verständlicherweise um so heftiger aus. Dabei wurde in Berlin aufmerksam vermerkt, daß viele der lautesten Kritiker der Guttenbergs noch nie in Afghanistan waren, obwohl sie teilweise selbst für den Afghanistan-Einsatz gestimmt haben. Aus den aufgeregten Reaktionen der politischen Gegner wie vieler Medien sprach zudem auch eine gehörige Portion Überraschung über den neuen Streich des Verteidigungsministers.

Guttenberg zeigte sich am Dienstag nach seiner Rückkehr nach Berlin unbeeindruckt von der Kritik. „Ich werde meine Ehefrau selbstverständlich wieder zu den Soldaten mitnehmen, wenn wir das für richtig halten, so wie es gestern richtig war“, sagte Guttenberg, der sich des politischen Risikos dieser Reise bewußt gewesen sein dürfte. Es scheint, als wertet er sie als Erfolg.

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