© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

Alteigentümer sehen Land
Enteignungen: Opfer der „Bodenreform“ können verbilligt Agrarflächen kaufen
Klaus Peter Krause

Für die sogenannten Alteigentümer ist es ein Erfolg. An diesem Freitag entscheidet der Bundestag in zweiter und dritter Lesung über ein Gesetz, das ihnen das Recht zurückgibt, Agrarflächen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR im ursprünglich zugestandenen Umfang verbilligt zu kaufen. Dieses Recht war als Folge von Preissteigerungen am Markt für Agrarland in den östlichen Bundesländern stark verwässert worden, der an sich zugebilligte Flächenhöchstumfang immer mehr zusammengeschmolzen.

Bei dem zum Verkauf stehenden Land handelt es sich um Flächen, die sich der deutsche Staat bei der Wiedervereinigung 1989/90 widerrechtlich angeeignet hat. Die früheren Eigentümer und ihre Familien waren in der sowjetischen Besatzungszeit (1945 bis 1949) von den damals dort herrschenden Kommunisten politisch verfolgt und Opfer von schweren Menschenrechtsverbrechen geworden. Sie wurden völkerrechtswidrig vertrieben, verhaftet, verschleppt, misshandelt, teilweise umgebracht und entschädigungslos enteignet, ihre Äcker, Waldstücke und Forsten zum staatlichen Eigentum („Volkseigentum“) erklärt. In der Landwirtschaft wurde diese Verfolgung getarnt als „Bodenreform“, in Gewerbe und Industrie als „Wirtschaftsreform“. Dann bei der deutschen Wiedervereinigung hat die Bundesrepublik Deutschland den Verfolgungsopfern oder ihren Erben dieses Land nicht, wie einst versprochen, zurückgegeben, sondern sich selbst einverleibt, um es meistbietend zu veräußern – ebenfalls entschädigungslos und obendrein mittels einer nachgewiesenen Lüge.

Die Opfer der damaligen politischen Verbrechen dürfen ihr Land allenfalls zurückkaufen, aber nur sehr begrenzte Teile davon. Die aber müssen mit dem früheren Eigentum noch nicht einmal immer identisch sein. Für diesen Rückkauf von Land, das an sich den Opfern gehört und nicht dem Staat zusteht, hat ihnen der gesamtdeutsche Staat als ein kleines Stück Wiedergutmachung (Teilkompensation) wenigstens einen Vorzugspreis eingeräumt. Dieser lag unter der Hälfte des Marktpreises. Die Grundlage dafür ist das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) von 1994 und ursprünglich die Flächenerwerbsverordnung von 1995 sowie jetzt für die Neuregelung das nunmehr nach langem Tauziehen ausgearbeitete Zweite Flächenerwerbsänderungsgesetz.

Für den verbilligten Flächenkauf brauchen die Opfer einen bestandskräftigen Bescheid des jeweils zuständigen Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen. Mit ihm wird ihnen ein Anspruch auf eine „Ausgleichsleistung“ in individuell unterschiedlicher Höhe zugebilligt und bescheinigt. Diese Leistung in Form eines Geldbetrages soll das widerfahrene Unrecht wenigstens zu einem kleinen Teil wiedergutmachen und zumindest den (allerdings minimalen) Rückkauf der Flächen ermöglichen. Erst mit solchem Bescheid können sie den verbilligten Kauf beantragen. Doch sind viele tausend Bescheide über Jahre hin in den Ämtern verschleppt worden, so daß die Alteigentümer-Familien mit ihren Käufen nicht zum Zuge kamen. Bis Ende 2009 sind erst 21 Prozent der Anträge beschieden worden. Darauf hingewiesen hatte der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, Manfred Graf Schwerin, bei der öffentlichen Anhörung zu der Neuregelung in der vergangenen Woche vor dem Haushaltsausschuß des Bundestages.

Aber in dieser langen Zeit sind die Verkehrswerte für Agrarland exorbitant gestiegen; seit 2004 haben sie sich nahezu verdoppelt. Deshalb konnten die Alteigentümer mit der vorgesehenen und begrenzten Verbilligung die ihnen ursprünglich zugedachte Fläche nicht mehr erstehen, sondern nur Teile davon, also noch viel weniger als schon ohnehin. Daher ermöglicht ihnen die neue Regelung nun, für die Kaufpreisberechnung den maßgeblichen Verkehrswert vom 1. Januar 2004 zugrunde zu legen. Das stellt sie so, als hätten sie den Bescheid schon zu diesem Zeitpunkt in Händen gehabt und von ihrem Kaufrecht schon damals Gebrauch gemacht.

Alteigentümer, die seit dem 1. Januar 2004 Flächen bereits gekauft haben, haben die Möglichkeit, die verbesserten Konditionen rückwirkend zu nutzen. Außerdem sollen jetzt auch Verwandte dritten und vierten Grades der ausgleichsberechtigten Alteigentümer verbilligt kaufen können. Das ist sinnvoll, weil die alte und ältere Generation zu solchen Käufen nicht mehr in der Lage oder willens ist und die jüngeren Kräfte mit der traditionellen Verbundenheit ihrer Familien mit der alten Heimat wesentlich dazu beitragen können, den ländlichen Raum wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell zu beleben und zu stärken. Viele beeindruckende Beispiele dafür gibt es schon.

 

Bodenreform

Im Zuge der von der kommunistischen Propaganda als „Bodenreform“ verharmlosten Enteignungen auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone wurden zwischen 1945 und 1949 rund 14.000 Höfe mit 2,5 Millionen Hektar entschädigungslos beschlagnahmt. Unter der Losung „Junkerland in Bauernhand“ wurde das Land zunächst an Neubauern, darunter auch Flüchtlinge und Vertriebene aus den Ostgebieten, verteilt. Zwischen 1952 und 1960 wurden diese Flächen zumeist wieder zwangskollektiviert. Von der „Bodenreform“ auf dem Gebiet der späteren DDR waren rund 35 Prozent der landwirtschaftlichten Nutzfläche betroffen.

Foto: Frisch gepflügter Acker: Ein Teilerfolg nach langen juristischen Auseinandersetzungen

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