© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/10 10. Dezember 2010

Keine Frage von Krieg und Frieden
Euro-Krise: Ex-BDI-Chef Henkel fordert Zweiteilung der Euro-Zone / Wirtschaftsminister Brüderle warnt vor „Gefahr der Renationalisierung“
Christian Dorn

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, soll den Karlspreis 2011 erhalten. Dieser wird an Personen und Institutionen vergeben, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Dies macht erneut deutlich, daß die kriselnde Euro-Währung von Anfang an ein politisches Projekt gewesen ist, eine „Frage von Krieg und Frieden“, wie Altkanzler Helmut Kohl formulierte. Schon dessen Vorgänger Helmut Schmidt hatte die Währungsunion als eine Angelegenheit bezeichnet, die in die Hände von Außenpolitikern gehöre.

Dieses Primat der Politik zeigte sich vorige Woche auch im Berliner Haus der Bundespressekonferenz, wo der frühere Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, sein neues Buch „Rettet unser Geld! Deutschland wird ausverkauft“ an der Seite von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle vorstellte. Der FDP-Vize bezeichnete Henkel, der sein einstiges Plädoyer für die Einführung des Euro inzwischen die „größte Fehleinschätung meines Lebens“ nennt, wiederholt als Agent provocateur. Anders, so schien es, vermochte er die Analyse Henkels nicht zu ertragen, der in finanzpolitischen Fragen mehr deutsches Selbstbewußtsein und eine Aufteilung in einen weichen Süd-Euro (um Frankreich) und einen harten Nord-Euro (um Deutschland) forderte.

Für Brüderle ist dies jenseits aller Vorstellung. Zwar wittert er in Europa eine „Gefahr der Renationalisierung“, doch gerade deshalb gelte: „Wenn Deutschland sich singularisiert, dann waren die letzten Jahrzehnte umsonst.“ Auf spätere Nachfrage bezeichnete Brüderle den profilierten Euro-Kritiker und FDP-Fraktionskollegen Frank Schäffler mit einer wegwerfenden Geste als einen Mann mit notorisch „extremen Positionen“. In der Tat könnte der Gegensatz kaum deutlicher sein: Wenige Tage zuvor hatte Schäffler auf einer internationalen Euro-Konferenz der Naumann-Stiftung (JF 49/10) die Staaten wegen ihrer inflationären Währungspolitik als „Brandstifter“ und die Notenbanken als „Brandbeschleuniger“ bezeichnet. Griechenland werde „seine Schulden ohnehin nie zurückzahlen“.

Henkel vermeidet es, Brüderle völlig bloßzustellen. So entlehnt er zwar dessen Formulierung zum Ende der schwarz-grünen Koalition in Hamburg („Es trennt sich, was nicht zusammengehört“) für den Euro. Doch als Henkel mit Blick auf die südlichen EU-Länder („Olivengürtel“) resümiert, daß diese wegen der illusorischen Sparvorgaben „nie wieder auf die Beine kommen“ würden, beißt er sich auf die Zunge und bittet die Journalisten, diese Formulierung zu streichen. Statt dessen werde dieser Prozeß „sehr, sehr, sehr lange dauern“. Beispielhaft dafür sei die zunächst auf drei Jahre angesetzte Rückzahlungsfrist für Griechenland, die nun bereits auf sieben Jahre prolongiert wurde.

Dies alles seien Symptome einer „Transferunion“, wie sie in Deutschland zwischen Bund, Ländern und Kommunen üblich sei. „Mit Volldampf“ gehe Europa jetzt denselben fatalen Weg. Dabei sei Frankreich „federführend bei der Aufweichung des Euro“ gewesen. Von n-tv-Moderator Manfred Bleskin befragt, ob denn Frankreich noch ein vertrauenswürdiger Partner sein könne, weicht Brüderle vielsagend aus. Stattdessen versichert der Minister immer wieder, daß die Finanzhilfen nur ein „temporärer Überbrückungsmechanismus“ seien und „kein Dauerzustand“ werden dürften. Für Henkel sind dies Illusionen: „Wenn die Politik bislang die eigenen Hürden und Verträge mißachtete, wieso sollte sie es künftig tun?“ Mit Blick auf die östlichen EU-Mitglieder folgerte Henkel angesichts des aktuellen „Währungssozialismus“: „Wir haben Länder, die von Moskau die Schnauze voll haben und jetzt kein neues Brüssel wollen.“ Eine Sicht, die der tschechische Premier am Sonntag bestätigte: „Jetzt den Euro einzuführen, wäre eine wirtschaftliche und politische Dummheit“, meinte Petr Nečas in einer TV-Diskusion. In seiner Regierungszeit bis 2014 werde dies sicher nicht geschehen.

Darum sollten zwei Paragraphen in die EU-Verträge aufgenommen werden: Ein Land, das nach Meinung der EZB hinreichend gegen die Währungsunion verstoßen hat, muß zwingend ausgeschlossen werden. Ein Land muß aus dem Euro austreten dürfen, ohne auf die Zustimmung der übrigen Länder angewiesen zu sein wie derzeit. Dies wäre wichtig für Deutschland, um wieder handlungsfähig zu werden, so Henkel.

Hans-Olaf Henkel: Rettet unser Geld! Deutschland wird ausverkauft. Heyne Verlag, München 2010, 207 Seiten, gebunden, 19,99 Euro.

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