© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/10 10. Dezember 2010

Automobilverband fordert vier Milliarden Euro für Elektroautos
Abstinenz
Axel Glöggler

Manche Dax-Konzerne bestreiten einen Großteil ihrer Dividende aus Subventionen, die sie zuvor aus diversen Fördertöpfen einkassiert haben. Nun hat sich die Industrie an die Bundesregierung gewandt, um vier Milliarden Euro für die weitere Entwicklung von angeblich umweltfreundlichen Elektroautos zu erhalten. Kein Zweifel, die Autoindustrie ist eine der wichtigsten Branchen in Deutschland, etwa ein Fünftel aller Beschäftigten findet dort direkt oder indirekt seinen Arbeitsplatz.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) wird mit dem Ex-Forschungsminister Matthias Wissmann (CDU) von einem Präsidenten geführt, der durch die politische Drehtür in diese Position gelangt ist. Entsprechend kräftig ist die VDA-Stimme. Und ihr Argument ist auch ganz einfach: Andere Länder – etwa Frankreich oder die USA – „fördern“ auch die Elektroautos. Nachdem für die marode Finanzwirtschaft (weil „systemisch“) unvorstellbare Milliardenbeträge bereitgestellt wurden, will nun auch die Autoindustrie weitere Mittel vom Steuerzahler – denn etwas anderes sind Subventionen nicht.

Der deutschen Autoindustrie geht es inzwischen wieder blendend – es sind sogar Sonderschichten nötig. Ein Jahr ist es her, daß auf VDA-Initiative krisenbedingt Abwrackprämien von fünf Milliarden Euro flossen. Produktentwicklung ist die ureigenste Aufgabe eines jeden Unternehmens, ansonsten verschwindet es vom Markt. Kleine und mittlere Firmen schaffen das in der Regel ohne Hilfen vom Staat. Sie sind bei weitem die größten Arbeitgeber. Deutschland – derzeit Europas Konjunkturlokomotive – ist auch deswegen so gut aus der Krise gekommen, weil es über einen innovationsfreudigen Mittelstand verfügt. Weitere Milliarden an die Autoindustrie auszuschütten hieße, unsere schon recht unausgewogene Wirtschaftsstruktur weiter zugunsten der Großindustrie zu verzerren. Das System der Marktwirtschaft verlangt Abstinenz – jedenfalls was Subventionen anbelangt.

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