© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/10 10. Dezember 2010

Man kennt sich, man hilft sich
Seilschaften: Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, umgibt sich gerne mit alten Weggefährten
Felix Krautkrämer

Offenbar hatte Thomas Krüger kalte Füße bekommen. Kurz bevor das Kuratorium zur Kontrolle der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) vergangene Woche in Berlin zusammentrat, wurde der Wikipedia-Eintrag Krügers überarbeitet. Der Präsident der Bundeszentrale habe sich zu DDR-Zeiten in der „Kirche von Unten“  engagiert und dabei Personen wie „Markus Meckel“ kennengelernt. „Als Vikar spielte Krüger in freien Theatergruppen und Punkbands mit, beschäftigte sich mit Dadaismus und malte“, ist dort nun zu lesen. Ein echter DDR-Oppositioneller also. Da paßte seine FDJ-Mitgliedschaft wohl weniger ins Bild, weshalb sie in dem Wikipedia-Eintrag auch keine Erwähnung fand. Verantwortlich für die Überarbeitung von Krügers Vita ist ein Nutzer namens „Daniel Kraft“. So heißt auch der Pressesprecher der Bundeszentrale, der sich bislang aber nicht zu dem Vorgang äußern wollte.

Kritik an Krüger gab es während der Sitzung des Kuratoriums trotzdem. Vor allem seine Rede zum Thema Gender Mainstreaming auf dem Kongreß „Das flexible Geschlecht“ (JF 47/10) sorgte offenbar für Diskussionsbedarf. Doch das ist bei weitem nicht der einzige Kritikpunkt an der von der Bundeszentrale mit 120.000 Euro unterstützten Veranstaltung. Die Dokumentation zu dem Kongreß lieferte im Auftrag der BpB das feministische Missy Magazine auf einer extra eingerichteten Internetseite. Hierfür zahlte die Bundeszentrale ein Honorar in Höhe von rund 5.000 Euro. Auffällig ist jedoch, daß Ende November ein längerer Artikel auf der Internetseite des Missy Magazines erschien, in dem die Kritik mehrerer CDU-Politiker an Krügers Rede als „unsägliche Diskussion“ zurückgewiesen wurde. Es sei zwar „verlockend, diese Stimmen als die letzten Zuckungen einzelner Verwirrter abzutun“, so die Autorin Claire Horst, doch kam auch sie nicht darum herum, einzugestehen, daß diese Stimmen sich mehrten.

Bei Missy handelt es sich nach eigenen Angaben um ein Magazin „für junge Frauen“, das mit „Humor und einer feministischen Einstellung“ über „Popkultur, Politik und Style“ berichtet. Männer sind alles andere als willkommen, es sei denn sie denken konsequent „feministisch“. Die ausschließlich weiblichen Verantwortlichen geben offen zu, Männer zu diskriminieren, was aber gerechtfertigt sei. Bei der Bundeszentrale stört eine solche Haltung offenbar niemanden, und das, obwohl sich die Einrichtung unter der Leitung ihres Präsidenten voll und ganz der Geschlechtergerechtigkeit verschrieben hat.

Das heißt allerdings nicht, daß Männer bei der BpB generell benachteiligt werden: Ganz im Gegenteil. Wie berichtet, freuten sich nach Krügers Amtsantritt im Jahr 2000 dessen früherer Pressesprecher aus Berliner Senatoren-Zeiten, Thorsten Schilling, und sein ehemaliger Wahlkampfmitarbeiter Raul Gersson über eine Anstellung in gehobener Position bei der Bundeszentrale (JF 48/10). Schilling als Leiter des Fachbereichs Multimedia und Gersson als Leiter der Stabsstelle Kommunikation. Zu den alten Bekanntschaften gehört offenbar auch der heutige Welt-Journalist Claus Christian Malzahn, der in den Achtzigern und Anfang der neunziger Jahre wie Raul Gersson für die taz arbeitete und mit diesem gemeinsam Artikel verfaßte. Auch ein Interview Malzahns mit Krüger aus dem Jahr 1992 findet sich im taz-Archiv. Und Malzahns in diesem Jahr erschienenes Buch „Deutschland 2.0“ enthält eine Geschichte über den „DDR-Dissidenten Thorsten Schilling“, der laut einem Vorabdruck in der Welt 1989 als Student der Philosophie und des Marxismus-Leninismus „aus der DDR geworfen“ wurde. Anfang der neunziger Jahre sei Schilling zurück nach Prenzlauer Berg gezogen. Dort beäugt er nun seine aus dem Westen stammenden „neuen Nachbarn“ offenbar kritisch.

Es ist wohl kein Zufall, daß an der Vorstellung des Buches im September auch BpB-Präsident Krüger teilnahm und mit Malzahn über den Stand der Wiedervereinigung diskutierte. Im Gegenzug hatte Malzahn ja auch schon Veranstaltungen der Bundeszentrale moderiert, gemeinsam mit seiner heutigen Ehefrau Anjana Shrivastana, die selbst bereits mehrfach für die BpB tätig war. Malzahns Buch „Deutschland, Deutschland“ aus dem Jahr 2005 erschien darüber hinaus als Lizenzausgabe in der Schriftenreihe der BpB. Kosten: 15.000 Euro.

Der frühere Ost-Berliner Thomas Krüger hat in seiner nun zehnjährigen Amtszeit als Präsident der Bundeszentrale mit Sitz in Bonn das rheinländische Lebensmotto offenbar tief verinnerlicht: Man kennt sich, man hilft sich.

Foto: BpB-Präsident Thomas Krüger: Rheinisches Lebensmotto

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