© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/10 10. Dezember 2010

Der frisierte Lebenslauf eines Wirtschaftsministers
Wikileaks II: Dokumente amerikanischer Diplomaten bringen Überraschungen über deutsche Politiker zutage – auch SPD-Politiker informierten die Amerikaner
Johannes Sondermann

Hat Karl-Theodor zu Guttenberg vor seinen amerikanischen Gesprächspartnern mit seiner beruflichen Karriere geprahlt? Oder haben die amerikanischen Berichterstatter aus dem Münchner Konsulat selber etwas dazugedichtet? Und wenn ja, warum?

In jedem Fall liest sich eine der von Wikileaks veröffentlichten Diplomaten-Depeschen aus dem Jahr 2009 so, als habe jemand den Lebenslauf des damals gerade frischgekürten Bundeswirtschaftsministers extra für die Amerikaner aufgehübscht: Zu Guttenberg habe „einige Jahre in New York als Investmentbanker gearbeitet“, heißt es da. Und: Er habe das „mittelständische Unternehmen Rhön-Klinikum AG“ an die Börse gebracht.

Das Dumme daran: Die erste Notierung von Rhön-Klinikum-Aktien, von denen jede vierte der Familie zu Guttenberg gehört, fand schon 1989 statt. Damals war Karl-Theodor noch nicht einmal volljährig. Wie soll er da den Börsengang vorbereitet haben?

Die seit der vergangenen Woche von Wikileaks nach und nach veröffentlichten Dokumente des amerikanischen Außenministeriums enthalten wichtige Einblicke in die Sichtweise der Amerikaner. Im Vordergrund stehen dabei die amerikanischen Sicherheitsinteressen, nicht zuletzt in Afghanistan. 

Gerade die aus München kommenden Berichte sind interessant. So heißt es 2009 in einem vertraulichen Telegramm des amerikanischen Konsuls warnend, daß 69 Prozent der Deutschen für einen sofortigen Rückzug aus Afghanistan seien. Die Amerikaner fürchteten, Afghanistan könne ein Thema im anstehenden Bundestagswahlkampf werden.

Die bislang veröffentlichten Papiere zeigen, daß die amerikanischen Diplomaten nicht immer wissen, was sie den Machthabern hierzulande glauben sollen: So hat das amerikanische Konsulat in München ernsthaft an der Zustimmung des Bundestages zur Aufstockung der Isaf-Truppen gezweifelt. Der Grund: CSU-Parteichef Horst Seehofer hat sich Ende 2009 in einem Interview mit der Bild-Zeitung kritisch zum Einsatz geäußert.

Weniger zufrieden waren die Amerikaner mit FDP-Parteichef Guido Westerwelle, da von den 15 Forderungen der FDP für die Koalitionsverhandlungen nur eine einzige außenpolitische war: die nach dem Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland. Die Amerikaner fürchten im Falle der Umsetzung dieser Forderung einen Dominoeffekt für ihre verbliebenen „europäischen“ Atomwaffen, vor allem weil Polen und die Tschechei noch nicht als Alternativen zur Verfügung stehen.

Beim Thema Klimaschutz, das geht aus weiteren Depeschen hervor, trete Deutschland „aggressiv“ auf, obwohl es sich gegenüber Rußland in eine gefährliche Gasabhängigkeit begeben habe. Das Scheitern des Swift-Abkommens sei auf die „Paranoia“ deutscher EU-Abgeordneter gegenüber amerikanischen Geheimdiensten zurückzuführen.

Unterdessen wurde bekannt, daß auch mehrere SPD-Politiker munter mit amerikanischen Diplomaten plauderten. So habe Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier laut einem Bericht von Spiegel Online gegenüber dem amerikanischen Botschafter Philip Murphy bereits Anfang September 2009 die Wahl für die SPD verloren gegeben. Zudem beklagte sich der damalige Außenminister darüber, daß Präsident Barack Obama gegenüber Angela Merkel erklärt habe, sie hätte die Wahl so gut wie gewonnen. Auch die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles äußerte sich gegenüber amerikanischen Diplomaten und deutete an, „daß der linke Flügel der SPD Steinmeier als in Geheimdienstbelangen zu nah an den USA kritisieren und damit seiner Kandidatur schaden könnte“ und daß er „wenig Erfahrung in Sachen Parteiführung“ habe.

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