© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/10 10. Dezember 2010

Streit ums Kind
„Kampf gegen Rechts“ : Wie zwei Antifa-Journalisten einen Säugling als „Nazi-Kind“ brandmarken
Felix Krautkrämer

Wenn Andrea Röpke wieder mal mit einem Preis für ihre Arbeit ausgezeichnet wird, betonen die Laudatoren gerne den „Mut“ und die „Courage“ der Journalistin. Die 1965 geborene Politologin scheue keine Gefahr, um über „rechtsextremistische Umtriebe“ zu berichten.

Ein Zeugnis ihres Muts lieferte Röpke vergangene Woche in der Internetausgabe der taz: Unter der Überschrift „Keine Urkunde fürs siebte Nazi-Kind“ berichtete sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Andreas Speit (Jahrgang 1966) über die Weigerung des Lalendorfer Bürgermeisters Reinhard Knaack (Linkspartei), einer Familie die Patenschaftsurkunde von Bundespräsident Christian Wulff für ihr siebtes Kind auszuhändigen, weil die Eltern seiner Ansicht nach rechtsextrem seien (JF 49/10).

Die Eltern, das sind Petra und Marc Müller, das „Nazi-Kind“ ihre im Mai geborene Tochter. Bereits Mitte November hatten Röpke und Speit in der taz über den Fall berichtet und diesen erstmals öffentlich gemacht. Zeitgleich erschien ein Artikel von ihnen im SPD-eigenen Antifa-Organ Blick nach Rechts unter der Überschrift „Familienförderung für Völkische“. Von „Neonazis“ und „braunen Eltern“ war darin zu lesen, die dem „Deutschen Reich“ näherstünden „als der Demokratie“ und für ihren „siebten Sproß“ die Ehrenpatenschaft des Bundespräsidenten beantragt hatten. Es dauerte nicht lange und regionale und überregionale Medien zogen nach. Plötzlich waren die Müllers in aller Munde. Einer dpa-Meldung konnte Petra Müller sogar entnehmen, daß sie „laut Bundeszentrale für politische Bildung dem NPD-nahen ‘Ring nationaler Frauen’ zugerechnet“ werde. Was die Agentur dabei verschwieg: Die Information stammt aus einem drei Jahre alten Artikel des Internet-Dossiers der Bundeszentrale zum Thema Rechtsextremismus, geschrieben von Andrea Röpke.

Petra Müller bestreitet nicht, daß sie Kontakte zu der Organisation hatte, ebenso zum im vergangenen Jahr verstorbenen stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden Jürgen Rieger. „Wir haben aber keine Straftaten begangen“, sagt die 37jährige im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. „Wir sind auch nicht Mitglied in der NPD.“ Was sie jedoch besonders ärgert, niemand habe sie oder ihren Mann gefragt, was an den ganzen Vorwürfen dran sei, die mittlerweile über die Familie verbreitet wurden. Offenbar hatten weder Bürgermeister Knaack noch Röpke und Speit ein Interesse daran, mit denjenigen, um die es ging, einmal persönlich zu reden.

Mittlerweile ist die Urkunde des Bundespräsidenten zwar per Post bei den Müllers eingetroffen – Wulff hatte sich vergangene Woche entschieden, an der Patenschaft festzuhalten – doch spurlos ist die Geschichte an der Familie nicht vorbeigegangen. Tagelang hatte der Fall die regionalen Medien beherrscht. Da wundert es nicht, daß die älteren Kinder der Müllers plötzlich nicht mehr in die Schule wollten und über Bauchschmerzen klagten.

Doch die Müllers sind kein Einzelfall, um nicht zu sagen die einzigen Opfer von Andrea Röpke. Erst im Sommer hatte der Fall der Kindergärtnerin Birkhild T. aus Lüneburg für Schlagzeilen gesorgt. Nachdem Röpke und Speit ausgiebig in der taz über die „braune Erzieherin“ berichteten, die ihre „Gesinnung“ im Alltag auslebe und bei „Festen der NPD“ Kaffee und Kuchen ausschenke“, wurde die Frau kurzerhand vom Dienst freigestellt. Zwar durfte Birkhild T. nach einigen Wochen wieder in der städtischen Kindertagesstädte arbeiten, doch auch in diesem Fall war die Familie dank Röpke und Speit tagelang durch die Medienlandschaft gejagt worden und auch dieses Mal hatte Röpke zuerst im Blick nach Rechts über Birkhild T. berichtet. Bereits 2006 hatte sie dort in einem Artikel beklagt, daß sich niemand daran störe, daß die Frau und mehrfache Mutter als „Elternratsvorsitzende der Klasse 3 A“ an einer Grundschule fungiere, obwohl ihr Mann NPD-Kreisvorsitzender sei.

Ein andermal störten sich Röpke und Speit daran, daß eine „Neonazi-Aktivistin“ und achtfache Mutter aus Thüringen nicht nur die Ehrenpatenschaft des „demokratischen Staatsoberhauptes“ für eines ihrer Kinder beantragt hatte, schlimmer noch: Zur Geburt des sechsten Kindes war sogar der damalige Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) erschienen und hatte sich mit dem „jüngsten Sproß auf dem Arm, neben der Mutter und ihrer auffällig altmodisch gekleideten Kinderschar lächelnd ablichten“ lassen.

Die Vorgehensweise der beiden Antifa-Journalisten hat Methode. In ihren Berichten wird gezielt das Privatleben vermeintlicher oder echter Rechtsextremisten meist unter Nennung des vollständigen Namens, Wohnorts und Arbeitgebers in die Öffentlichkeit gezogen. Das Ergebnis gleicht dann nicht selten einer politischen Hexenjagd. Dabei kommt Röpke zugute, daß auch etablierte Medien wie Süddeutsche Zeitung und Focus bis hin zum öffentlich-rechtlichen Fernsehmagazin Panorama auf die „Rechtsextremismusexpertin“ zurückgreifen. Ihre und Speits Autorschaft für die linksradikalen Szene-Blätter Der Rechte Rand und Antifaschistisches Info-Blatt scheint dabei nicht zu stören. Ebensowenig wie die zumindest zeitweilige Mitgliedschaft Röpkes in der linksextremistischen „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“.

Foto: Petra Müller mit einem ihrer Kinder: Die Urkunde kam mit der Post, Andreas Speit und Andrea  Röpke: „Mut“ und „Courage“ ?

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