© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/10 03. Dezember 2010

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Der deutsche Wein liegt im Trend: Bei der Vermarktung helfen Internet und Königinnen
Toni Roidl

Deutschlands größte Weinauskunft – das ist das vollmundige Ziel von Jörg Heidjann und Patrick Fiekers. Die Münsteraner Weinfreunde haben Anfang November ein Internetportal gestartet, das alle Fragen rund um den Rebensaft beantworten soll. „Insgesamt sind über 10.000 Weine verfügbar“, erklärt Heidjann, der das Weinportal als „Hobbyprojekt“ ins Leben rief. Bis Weihnachten möchte der  Internetexperte die Anzahl der verfügbaren Weine auf 20.000 steigern. Schon heute verzeichnet die Netzseite zirka 1.000 Besucher pro Tag.

Das Kaufverhalten der Internetgeneration könnte die Biertrinkernation Deutschland erschüttern. Während die Brauereien immer weniger „Flaschenbrot“ absetzen, haben sich die rund 80.000 Winzer in Deutschland nach der Wirtschaftskrise wieder gefangen. Dabei sah es 2008 schlecht aus: Exporteinbrüche von acht Prozent, zudem knickte der Gastronomieabsatz ein, und Spanien flutete die Discounter mit Billigwein.

Doch das (Wein-)Blatt hat sich gewendet: Sowohl bei der Menge als auch beim Einkaufswert legt deutscher Wein wieder zu. Erstmals wurden sogar mehr einheimische Rotweine als Weißweine verkauft. Während der Marktanteil deutscher Weißweine stets stabil um etwa 50 Prozent pendelte, konnten deutsche Rotweine in die Marktführerpositionen aufrücken und die klassischen Rotweinländer Italien und Frankreich abhängen. Auch Exoten aus Afrika oder der Neuen Welt rutschten ab. Vor allem der Umsatz deutscher Roséweine sprudelte geradezu über.

Das liegt daran, daß die Verbraucher unabhängiger und probierfreudiger geworden sind – und mutige Erzeuger ihnen entsprechende Angebote machen. Die neue „Generation Riesling“ – junge, gut ausgebildete und kreative Nachwuchswinzer – setzt auf innovative Konzepte und modernes Marketing.Dazu zählt eine neue Diversität: Unter den 140 Rebsorten, die zwischen Elbe und Bodensee gepflanzt werden, teilen sich Riesling und Rivaner bisher gut ein Drittel der über hunderttausend Hektar. In den letzten Jahren liegen zunehmend auch rote Trauben, Burgundersorten und alte Reben im Trend.

Die Zeiten, in denen Wein als lac senum – Milch der Greise – galt, sind lange vorbei. Weinkennerschaft war früher vor allem in gehobenen Gesellschaftsschichten Ausweis eines kultivierten Geschmacks. Nun entdecken auch Aufsteiger ihre Leidenschaft zum „fünften“ Element: So beantragte der Millionär und Millionärsmacher Günther Jauch in diesem Jahr die Mitgliedschaft im Verband deutscher Prädikats- und Spitzenweingüter, um das Weingut von Othegraven an der Saar zu übernehmen.

Im Kommen sind Ökoweine: Der größte Ökoweinverband in Deutschland, dem mit rund 200 Mitgliedern rund die Hälfte aller Biowinzer angehören, produziert heute schon fünf Prozent des Weinangebots. Tendenz steigend. Der Klimawandel treibt die Weinproduzenten um. So mußte 2006 die Eisweinlese ausfallen, und die Rebblüte begann 2007 so früh wie nie. Aber nicht alle ficht dies an: „Wir stellen bei der Arbeit fest, daß wir Schädlinge im Weinberg finden, die sonst nur am Mittelmeer vorkamen. Trotzdem sind wir Profiteure steigender Durchschnittstemperaturen“, erklärt Peter Jost vom Weingut Hahnenhof in Bacharach/Mittelrhein.

Das schönste Marktetinginstrument des deutschen Weines ist allerdings ein ganz alter Hut mit jungen Federn: Seit 62 Jahren krönt das Deutsche Weininstitut bereits die Deutsche Weinkönigin. www.wein-auskunft.de

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