© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/10 03. Dezember 2010

Auf dem Weg in die Opposition
Hamburg: Nach dem Ende der schwarz-grünen Koalition in der Hansestadt droht der CDU der Machtverlust
Sverre Schacht

Was mit einem vermeintlichen Routinetreffen der Hamburger Grünen-Fraktion in einem schicken Hotel begann, entpuppte sich als Todesstoß für die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene. „Wir streben Neuwahlen an“, verkündete Fraktionschef Jens Kerstan auf einer überraschend einberufenen Pressekonferenz am vergangenen Sonntag. Die Arbeitsfähigkeit in der Koalition habe sich so verschlechtert, daß es für eine erfolgreiche weitere Zusammenarbeit nicht mehr reiche, hieß es zur Begründung.

Die Spitze der Grün-Alternativen Liste (GAL), wie sich die Grünen in der Hansestadt traditionell nennen, ließ ihre persönliche Verstimmung durchblicken: Ein Neustart nach dem Abtritt von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) im Juli sei nicht gelungen. Das fünfte Ausscheiden eines Senatsmitglieds in nur acht Monaten sei zuviel, hieß es mit Blick auf den Rücktritt von Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) in der vergangenen Woche. Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) reagiert völlig überrascht und erst nach Stunden: Die Grünen hätten den Rücktritt Frigges  nicht nur gutgeheißen, sondern als Entlastung empfunden. Am Montag entließ er schließlich die drei grünen Senatoren der Koalition, wollte trotzdem  Schwarz-Grün als erneute Option nicht ausschließen.

Zum Amtsantritt vor drei Monaten hatte Ahlhaus mit einer beispiellosen Charmeoffensive an der grünen Basis einen Gang nach Canossa angetreten, während diese ihn gleichzeitig öffentlich als „Rechten“ zu brandmarken suchte. Nun wird es wahrscheinlich Ende  Februar Neuwahlen geben. Für Ahlhaus wie die CDU ist so das baldige Regierungsaus absehbar. Zu groß ist der Zorn der Bürger über Verschwendungen bei Elbphilharmonie und HSH-Nordbank, über Schulchaos und Mängel bei der Inneren Sicherheit. Die GAL freut sich derweil über glänzende Umfragewerte. Sie braucht nun ihrer Klientel die massiven Kürzungen bei der Kultur nicht mehr vermitteln, die sie mitbeschlossen hat. Seitens der CDU wie der Grünen attackieren sich die am lautstärksten, die in die Hamburger Verhältnisse mit ihren Sparzwängen und gescheiterten Großprojekten am wenigsten eingeweiht sind: Die Bundespolitiker. die CDU-Führung spricht von einer „Verantwortungslosigkeit“, während Grünenchef Cem Özdemir treuherzig beteuert, der Koalitionsbruch habe nichts mit den Umfragewerten zu tun.

Auf Bundesebene ist die neue Gegnerschaft zwischen beiden Parteien an den Themen Laufzeitenverlängerung und Stuttgart 21 aufgebrochen. Die lange aus taktischen Gründen verdrängte Kluft zwischen CDU und Grünen ist wieder auf ganzer Breite aufgebrochen. Auf Dauer wollen aber weder CDU noch Grüne einen gemeinsamen Pakt ausschließen.

In Hamburg keimt unterdessen in der Union die Hoffnung auf eine Rückbesinnung: Inhalte vor Machtoptionen. Laut dem konservativen Alsterkreis der CDU Hamburg ist der Bruch vor allem ein Scheitern der GAL. „Berechtigte Kritik an der Senatspolitik“ sei nicht so sehr den Projekten der CDU geschuldet, vielmehr sieht ein entsprechendes Papier die „katastrophale, linksideologische Schulpolitik gegen den Willen einer überwältigenden Mehrheit der Bürger Hamburgs“, kurzum die Schulreform als Grund für das Ende. „Gegen den gesunden Menschenverstand“ sei auch das Stadtbahnprojekt. Es ist die grünen Wünschen entsprechende millionenschwere Wiedereinführung der längst abgeschafften Straßenbahn.

Tatsächlich zerplatzte im Laufe der Koalition manches grüne Projekt, auch wenn die CDU häufig mitzog. Die Koalition war inhaltlich für die Öffentlichkeit seit geraumer Zeit dennoch vom kleineren Partner bestimmt, während die CDU-Führung unionsinterne Kritik daran wegdrückt. Das sieht auch der Alsterkreis so: „Der CDU mangelnde Loyalität vorzuwerfen, ist absurd, lag ihr Fehler in den letzten Monaten der Ära Ole von Beust doch gerade darin, den Grünen in unverantwortlicher Art und Weise über alle Maßen entgegenzukommen.“ Faule Kompromisse erzürnen gerade die an CDU-Inhalten interessierten Parteimitglieder. Bei der Inneren Sicherheit, in der Justiz und bei der Polizei sieht die Bilanz der Koalition nicht nach einem Sieg der Union aus.

Diese Themen verhalfen ihr aber einst zum Triumph über die jahrzehntelang unangreifbar herrschende SPD. Der Ruf nach einem Neuanfang geht daher auf Landesebene von konservativen Christdemokraten aus. „Die CDU-Programmatik muß vom eigenen Standpunkt aus definiert und darf nicht länger darauf zugeschnitten werden, was bei den Grünen anschlußfähig sein könnte“, fordert der Alsterkreis, dessen Mitglieder das konservative Profil der Partei wieder schärfen wollen.

Foto: Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus nach dem Bruch des Regierungsbündnisses: Beispiellose Charmeoffensive an der grünen Basis

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen