© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/10 03. Dezember 2010

Wikileaks-Veröffentlichungen
Wer ist der nächste?
von Frank Liebermann

Als Wikileaks Dokumente aus den Irak- und Afghanistan-Feldzügen Amerikas veröffentlichte, erhielt das Internetportal noch viel Verständnis. Julian Assange, Gründer des Netzwerks, wollte die Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Und diese Wahrheit war häßlich: Falsche Kriegsgründe, Übergriffe auf Zivilisten und Folter konnten anhand interner Dokumente der Vereinigten Staaten belegt werden. Leugnen war nicht mehr möglich.

Und jetzt? Welchen Sinn hat die Veröffentlichung von diplomatischen Dokumenten? Daß an Bundeskanzlerin Merkel nichts kleben bleibt, Außenminister Westerwelle inkompetent ist und Bayerns Ministerpräsident Seehofer vor Unberechenbarkeit überschäumt, ist kein großes Geheimnis. Auch die anderen bisher veröffentlichten Dossiers dürften eher zu Verärgerung bei den anderen Staaten führen, weniger zu einer Abkehr. Daß Botschaften politische Lageanalysen in ihre Heimat liefern, ist normale Praxis – und nicht verwerflich. Auch nicht, daß in internen Dokumenten Klartext geredet wird, egal wie wenig schmeichelhaft das für die Gastgeberländer sein mag. Einen Nutzen hat von diesen Veröffentlichungen niemand. Am wenigsten Wikileaks. Wer sich jetzt hämisch die Hände reibt, sollte achtsam sein. Bankkonten, Firmenserver oder private Rechner werden täglich gehackt. Jeder kann das nächste Opfer einer solchen Aktion sein.

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