© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

Haltungsnote
Der Kreuzritter aus Regensburg
Christian Schwiesselmann

Man könnte es für eine bayrische Provinzposse halten, stünde nicht mehr auf dem Spiel. Ein „konfessionsloser“ Physiker aus Großbritannien ließ sich dem Vernehmen der Lokalpresse nach 2006 in Regensburg nieder und schickte seinen Filius auf das humanistische Albert-Magnus-Gymnasium. Die Schule, eine Kaderschmiede des Priesternachwuchses und nach dem christlichen Aristoteliker und Regensburger Bischof benannt, beginnt ihren Unterricht mit einem Morgengebet und hat jene Kruzifixe im Klassenzimmer, über deren Abhängung das Bundesverfassungsgericht 1995 sehr umstritten urteilte. Der britische Physiker beschwerte sich auf einem Elternabend nicht nur darüber, daß in der Klasse seines Sohnes ohne sein Wissen zwei Jahre lang gebetet wurde, sondern ließ unter Berufung auf den Karlsruher Urteilsspruch en passant das Kreuz entfernen. Sein Sohn hatte bereits vor Allerheiligen provoziert, als er in einem Teufelskostüm in der Klasse erschien.

Wie die anderen 32 Eltern zeigte sich vor allem der stellvertretende Regensburger Bürgermeister Gerhard Weber (CSU) empört. Er habe kein Verständnis für  die Abnahme des Kreuzes gegen den ausdrücklichen Wunsch der meisten Eltern. Weber stellte zugleich die Frage, „ob damit nicht das Gastrecht, das wir Ausländerinnen und Ausländern gerne gewähren, überstrapaziert wird“.

Sein Verweis auf den Artikel 7 des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes verpuffte trotz ministerieller Schützenhilfe wirkungslos. Danach muß die Schulleitung eine gütliche Einigung herbeiführen, wenn „der Anbringung des Kreuzes aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung widersprochen“ wird. Wo das Kreuz war, prangt nun ein Fleck. Statt des Morgengebets gibt es einen neutralen „Guten-Morgen-Kreis“.  

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