© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

Grundlagen des Wohlfahrtsstaates
Geld und Macht
von Roland Baader

Es ist unmöglich, eine Holzschubkarre gegen den zwanzigsten Teil einer lebendigen Kuh zu tauschen. Deshalb ist schon in der Frühzeit aller Kulturen auf lokalen oder regionalen Märkten (zum Beispiel Viehmärkten) Geld zur Erleichterung des Tausches entstanden. Zunächst in Form von gängigen und allgemein benötigten Gütern wie beispielsweise Getreide. Das als indirektes Tauschmittel (Geld) dienende Gut mußte vor allem die Bedingungen erfüllen, einen eigenständigen Nutzwert zu haben, leicht teilbar und über längere Zeit haltbar zu sein.

Als man gelernt hatte, der Erde Metalle zu entziehen und diese zu schmelzen, haben sie alsbald die Geldfunktion übernommen, vorzugsweise die Edelmetalle Gold und Silber. Sie wurden zunächst als Granulat oder Nuggets getauscht, später mehr und mehr in Form geschmiedeter oder geprägter Münzen. Aufgrund seiner Seltenheit, Schönheit und Unvergänglichkeit wurde Gold schon vor seiner Nutzung als Geld geschätzt, als Schmuck und als sakrale Opfergabe. Wichtig ist die Feststellung, daß Geld auf freien Märkten entstanden ist. Das indirekte Tauschmittel namens Geld ist ein Geschöpf des Marktes.

Erst später schrieben Herrscher aller Art bestimmte Münzgewichte vor und beanspruchten das hoheitliche Monopol zur Prägung und Ausgabe von Münzen. Mit Zunahme der Handwerks- und Handelsaktivitäten kamen immer mehr Münzen in Umlauf, und für größere Mengen suchten die Eigentümer sichere Aufbewahrungsorte. Diese fanden sie bei Priestern in Tempeln, im Lauf der Zeit aber vermehrt in den gesicherten Kellern und Schatullen von Goldschmieden, wo das Edelmetallgeld gegen Ausgabe von Hinterlegungsscheinen gelagert wurde. Es dauerte nicht lange, bis diese Scheine, die ja Hinterlegungszertifikate für faktisch vorhandenes Gold und Silber darstellten, selber als Geld in Umlauf kamen. Sie waren so wertvoll wie Gold und Silber, aber leichter zu handhaben und zu transportieren. So wurden aus den Goldschmiedehäusern allmählich Banken, die geschäftsmäßig solche Scheine – also Banknoten ausgaben.

Die Bankiers machten die Erfahrung, daß im Lauf der Zeit nur noch wenige der Banknotenbesitzer die Scheine gegen das hinterlegte Edelmetall eintauschen wollten, und so begannen sie, mehr Noten auszugeben – gegen Leihzins (Kreditzins) – als den gelagerten Metallwerten entsprochen hätte. Statt Lagergebühren zu verlangen, konnten sie nun den Hinterlegern Zinsen zahlen, um so die Leute zu vermehrten Einlagen anzureizen. Auf Basis der größeren Hinterlegungsmengen konnten die Bankiers überproportional mehr Kredite vergeben und auf diese Weise ihre Zinseinnahmen steigern. Das war die Geburtsstunde des Fractional Reserve Banking, des Bankgeschäfts mit Bruchteilsreserven, bei dem das faktisch als Reserve gehaltene echte Geld (Gold und Silber) nur noch einen schwindenden Prozentsatz der vergebenen Kredite ausmachte.

Geld als Tauschmittel ist ein Geschöpf des Marktes. Erst später beanspruchten Herrscher das Münzmonopol. Bald kamen Scheine, Hinterlegungszertifikate für Gold und Silber, in Umlauf. Bankiers gaben mehr Scheine aus, als sie Gold im Tresor hatten.

Genau besehen ist das Betrug, denn wenn viele oder alle Einleger ihre Scheine gegen das echte Warengeld einlösen wollten, würde die Bank zusammenbrechen und große Teile der Kundengelder wären verloren. Geld ist also das jeweils marktgängigste Gut, das wegen eben dieser höchsten Marktgängigkeit als indirektes Tauschmittel allgemein akzeptiert wird. Viele Güter sind in der Geschichte der Menschheit Geld geworden, aber letztlich liefen alle Entwicklungen auf Gold- und Silbermünzen (und Kupfermünzen) von bestimmtem Gewicht und Feingehalt hinaus.

Carl Menger hat in „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“ (1871) geschrieben: „Das Geld ist kein Produkt des Uebereinkommens der wirthschaftenden Menschen, oder gar das Produkt legislativer Acte. Das Geld ist keine Erfindung der Völker. (...) [Es] entstand (...) an zahlreichen von einander unabhängigen Culturcentren mit der fortschreitenden Entwicklung der Volkswirtschaft.“ In der Terminologie von Friedrich A. von Hayek, einem bedeutenden Nachfolger Mengers an der Universität Wien (...), kann man von Geld auch als einer „spontanen Institution“ reden. Wie die Sprache und der Markt, so ist auch das Geld keine bewußt entworfene Einrichtung, sondern das spontan entstandene Ergebnis des sich über unzählige Generationen entwickelnden gemeinsamen Kommunizierens und Handelns der Menschen. Ökonomische Institutionen wie der Markt und das Geld sind das Ergebnis menschlichen Handelns – nicht aber menschlichen Entwurfs. Die Nutzung von Geld ist ein Beispiel für das, was Hayek unter „spontaner Ordnung“ verstanden hat. Es hat weder einen Erfinder noch einen Entwerfer oder Planer gegeben, der den Geldgebrauch mit Absicht eingeführt hätte. Vor diesem Hintergrund erkennt man auch, wie falsch eine weitverbreitete Ansicht unter Ökonomen ist, die vereinfacht ausgedrückt besagt: Geld ist alles, was von der Regierung als Geld vorgeschrieben wird. Aus einer Katze wird eben auch dann kein Hund, wenn sie aufgrund staatlichen Gesetzes ab sofort Hund genannt werden muß. (...)

Es gibt nur zwei Arten der Herrschaft: die mit dem Schwert (oder der Kalaschnikow) und die mit Brot und Spielen (sprich: Bestechung oder Stimmenfang, in der modernen Version namens Wohlfahrtsstaat). Für beide Methoden bedarf es gewaltiger Geldmittel. Und zu Geld kommt man nur auf drei Wegen: arbeiten oder betteln oder rauben. Herrscher wählen stets den dritten Weg: rauben; entweder mit oder ohne begleitende Erpressung und Gewaltandrohung. Und moderne demokratische Staaten wählen als Herrschaftsinstrument vorzugsweise die Bestechungsversion Brot und Spiele – also den Wohlfahrtsstaat.

So kommen die Phänomene Raub und Wohlfahrtsstaat zusammen als konstituierende Elemente jeder modernen Herrschaft oder jedes modernen Staates. In früheren Zeiten war das auch nicht anders, aber das Gewicht lag mehr auf dem Schwert als auf Brot und Spielen, und die Geschenke gingen an herrschaftsstützende Eliten; Brot und Spiele für alle war eine einsame Ausnahme im späten Rom. Im 20. Jahrhundert hat das Pendel zweimal wieder in Richtung Schwert ausgeschlagen, nämlich mit den zwei Weltkriegen; inzwischen liegt das Schwergewicht wieder auf dem bestecherischen Füllhorn des Sozial- und Wohlfahrtsstaates.

Auf jeden Fall braucht der Staat, um Herrschaftsmacht ausüben zu können, riesige Geldmittel. Da die benötigten Summen astronomische Größenordnungen angenommen haben, reicht das Steuersubstrat schon lange nicht mehr aus, und so hat der Staat überall auf dem Globus einfach das Monopol auf Papiergelderzeugung an sich gerissen, um gigantische Geldmengen aus dem Nichts schaffen zu können. Es war kein Zufall, daß der Goldstandard bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges in allen beteiligten Ländern abgeschafft wurde und man mit Hilfe der bereits bestehenden oder neu geschaffenen Zentralbanken auf das beliebig vermehrbare fiat money überging. Mit Gold als Geld – also mit echtem Geld – hätte weder der Erste noch der Zweite Weltkrieg geführt werden können. Allenfalls drei Wochen lang. Und auch der „seichte Großkrieg“ an der Wohlfahrtsfront ließe sich ohne das Staatsmonopol auf beliebige Geldvermehrung nicht führen.

Es gibt nur zwei Arten der Herrschaft: mit dem Schwert oder mit Brot und Spielen. Für beides bedarf es gewaltiger Geldmittel. Moderne Staaten bevorzugen Brot und Spiele. Diese werden von den Wohlfahrtsstaaten durch die Politik des leichten Geldes finanziert.

Bezahlt wird er von den Fleißigen und Sparern, denn die Geldmengeninflation ist eine heimliche, aber unheimlich hohe Steuer in Form des Kaufkraftverlustes der Einkommen und Sparvermögen. US-Präsident Hoover hat einmal gesagt: „Papiergeld ermöglicht es den Politikern, die Ersparnisse der Bevölkerung durch Manipulation der Inflation und der Deflation zu konfiszieren. Wir haben Gold [als Währung], weil wir den Regierungen nicht trauen können.“ Die Eroberung des Geldes durch den Staat, der damit zum totalen Staat und zum Götzen wurde, hat der israelische Historiker Martin van Creveld in seinem genialischen Werk „Aufstieg und Untergang des Staates“ eindrücklich beschrieben.

Er zeigt auch im geschichtlichen Rückblick, wie bisher alle Papiergeld-währungen kläglich gescheitert oder spektakulär zusammengebrochen sind, von den Papiergeldversuchen der chinesischen Kaiser vor Beginn unserer Zeitrechnung über den Schah von Persien (1294) und die ersten modernen Versuche in Spanien und Schweden um die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, bis zum Experiment von John Law in Frankreich und der Ausgabe der Greenbacks durch die amerikanische Regierung während des Bürgerkrieges. Ein Fazit van Crevelds: „Die Ausweitung des staatlichen Zugriffs auf die Gesellschaft und damit die bedeutendste Entwicklung der Jahre 1789–1945 wäre unmöglich gewesen, wenn sich der Staat, um seine Ansprüche zu untermauern, nicht auch Geldmittel in beispiellosem Umfang beschafft hätte.“ (...) Zu den unveränderlichen Phänomenen in der Entwicklung des Menschengeschlechtes gehören die Mechanismen der Macht – genauer: die Mechanismen der Herrschaft. Ebenso unveränderlich (oder nur langfristig und ziemlich wenig veränderbar) ist der Mensch mit seinen Trieben und Ängsten, seinen Sehnsüchten und Hoffnungen, seinen Emotionen und Denkgewohnheiten, seinen Grundbedürfnissen und Verhaltensmustern. Die Herrschaftsmechanismen nehmen in der modernen Massendemokratie subtile und schwer durchschaubare Formen an. Gleichwohl bleiben ihre Grundmuster gleich.

Die Frage „Wie komme ich zur Herrschaft und wie bleibe ich an der Macht?“ läßt sich mit der Benennung von drei grundsätzlichen Strategien beantworten: 1) Man verbreite Angst und verspreche den Leuten sodann Sicherheit und nehme ihnen die Angst vor der Zukunft (genauer: man tue so, als könne man das). In jüngerer Zeit trugen die verlogenen oder maßlos übertriebenen Gefahren eingängige Namen wie Saurer Regen, Neue Eiszeit, Waldsterben, Ozonloch und Rinderwahnsinn; derzeit kommt der Großbetrug im Gewand der menschengemachten Klimakatastrophe daher. 2) Man verspreche und gewähre den machtstrategisch wichtigsten und lautesten Wählergruppen Sondervorteile und sage ihnen, vieles von dem, was sie sich wünschen, werde man „kostenlos“ bereitstellen. 3) Man befriedige die Neidgefühle und Minderwertigkeitskomplexe der Menschen, am besten unter dem Vorwand der Sorge für „Gerechtigkeit“, womit die häßliche Fratze des Neides eine edle Gesichtsmaske bekommt.

Daß die Menschen auf diese strategischen Komponenten der Herrschaft positiv reagieren, versteht sich von selbst – sonst wären die Methoden nicht so erfolgreich und ewig gültig. Sie entsprechen den elementaren menschlichen Bedürfnissen, Sehnsüchten und Trieben. All dieses Treiben aber muß finanziert werden, mit unvorstellbar großen Summen. Und diese beschaffen sich die Herrschaftseliten der Welt vermittels des staatlichen Geldmonopols auf ungedecktes Papiergeld. Merke: Die Wurzel des Übels in Form des endlosen Wucherns des Staates und der totalen Politisierung und Fiskalisierung des Lebens der Bürger ist die beliebige Finanzierbarkeit des Übels durch das beliebig vermehrbare „leichte Geld“, das fiat money. (...)

 

Roland Baader, Jahrgang 1940, Diplom-Volkswirt, studierte bei Friedrich August von Hayek und arbeitete rund 20 Jahre als Unternehmer. Heute ist er als Privatgelehrter und freier Autor unter anderem auch für die JUNGE FREIHEIT (JF 42/10) tätig.  

Roland Baader: Geldsozialismus. Die wirklichen Ursachen der neuen globalen Depression, Resch-Verlag, Gräfelfing 2010. Eine Rezension erschien in der JF 43/10. Auszüge des Buches werden hier mit Genehmigung von Verlag und Autor abgedruckt.

Foto: Es werde Geld: Der Staat kann Papiergeld beliebig vermehren – und er tut das auch, um „Brot und Spiele“ zu finanzieren und seine Macht zu konsolidieren

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