© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

„Invasion“: Nicole Kidman im Kampf mit Außerirdischen
Science-fiction-Filme befassen sich oft mit realen Problemen
Patrick Schmidt

Seit Jahren durchquert das Raumschiff USS Enterprise die Tiefen des Weltalls auf der Suche nach menschlichem Leben. 1982 rührte E.T. die Herzen der Fernsehzuschauer. 1996 und 1997 jagte Hollywood-Superstar Will Smith Eindringlinge aus fremden Galaxien – erst als Kampfpilot in „Independence Day“, dann als Polizist einer Spezialeinheit in „Men in Black“.

Erdenbewohner mit interstellarem Migrationshintergrund haben immer Konjunktur. Über die Möglichkeit, daß es Außerirdische gibt, wurde bereits zu Zeiten Immanuel Kants spekuliert – in seiner Schrift „Von den Bewohnern der Gestirne“. Der dritte Teil seines 1755 erschienenen Werkes „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ beschäftigte sich mit Gedanken zur Existenz außerirdischen Lebens. Kant war nicht der einzige, der sich mit solchen Spekulationen auseinandersetzte. Andere Naturphilosophen, wie etwa Christian Wolff, versuchten die Größe der Bewohner des Jupiter zu bestimmen.

Ganz gleich ob außerirdische Wesen, fliegende Raumschiffe oder bösartige Monster aus dem Weltall, sie alle finden ihren Platz in der Science-fiction-Literatur. Diese transportiert ein Bild von Möglichkeiten alternativer gesellschaftlicher Konstellationen und spielt mit wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen, welche mit fiktionalen Spekulationen angereichert werden. Der Begriff setzt sich aus „science“ (engl. Wissenschaft) und „fiction“ (engl. Dichtung und Darstellende Kunst) zusammen.

„Invasion der Körperfresser“

Meist assoziieren wir damit Raumschiffe, die in entfernten Galaxien Feinde bekämpfen oder neue Lebensformen entdecken. Bei „Science-fiction“ fallen einem sofort die Star-Wars-Episoden ein, die als modernes Märchen angesehen werden können.

Ein ähnlich beliebtes Motiv fiktiver Außerirdischer sind „Aliens“. Das aus dem englischen stammende Wort bedeutet einfach „fremd sein“, was sich wiederum an das lateinische „alienus“ anlehnt. Diese Fremden aus dem All suchen uns seit 1979 regelmäßig heim: zuerst im Film „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“, dann 1986 „Aliens – Die Rückkehr“ und 1997 „Aliens – Die Wiedergeburt“.

Doch der Urvater aller Alien-Filme ist der Schwarzweißfilm „Die Dämonischen“ oder auch „Invasion der Körperfresser“, von Don Siegel aus dem Jahre 1956. Der Film basiert auf der Grundlage des Romans „Die Körperfresser kommen“ von Jack Finney und erzählt die Geschichte eines Dorfes, dessen Bewohner nach und nach durch Außerirdische ersetzt werden.

Diesen Romanstoff hat sich 2007 der gebürtige Hamburger Regisseur Oliver Hirschbiegel noch einmal vorgenommen. Als Hollywood-Debüt und dritte Neufassung des Klassikers von Don Siegel kämpft Nicole Kidman zusammen mit Daniel Craig (James Bond) um ihren Sohn, gegen die Körperfresser.

Der durch „Der Untergang“ (2004) bekannt gewordene  Regisseur muß aufgrund der vielen Vorgängerfilme und des politisch inspirierten Originals von Don Siegel eine hohe Hypothek einlösen. Ging es dem Regisseur weniger um eine politische Aussage in seinem Werk, so wurde „Die Körperfresser“ trotzdem als politische Parabel aufgefaßt. Zum einen als Chiffre für die Gefährdung der USA durch den Kommunismus, zum anderen aber auch als Deutung des Antikommunismus der McCarthy-Ära. Auch wenn sich Siegel immer wieder gegen eine politische Deutung gewehrt hat, wurde der Inhalt in den Neuverfilmungen stets in einem gesellschaftlich-politischen Kontext gesehen.

Parallele Gender-Mainstreaming-Wahn

So deutet die Verfilmung des Stoffs bei Philip Kaufman (Die Körperfresser kommen, 1978) deutlich auf das Trauma von Vietnam hin. Abel Ferraras Fassung (Body Snatchers – Angriff der Körperfresser, 1993) kann wahlweise als Kritik am zweiten Golfkrieg oder an der AIDS-Epidemie gedeutet werden.

Auch Hirschbiegels Neuverfilmung „Invasion“ behandelt zwei subtile Themen: Da ist zum einen die Frage nach dem Menschen und seiner Individualität. Was macht Menschen aus, und wie ist es um ihre Individualität bestellt, wenn diese verändert oder ausgetauscht zu werden droht?

Zum anderen die Frage, ob eine Nivellierung aller menschlichen Charakterzüge nicht auch vorteilhaft sein könnte. Auch wenn der Regisseur keinerlei Andeutungen macht, kann man in beiden Fragen, die sich wie ein roter Faden durch den Film ziehen, eine düstere Zukunftsvision erkennen, in der die Individualität des Menschen durch „Gender Mainstreaming“ ausgelöscht wird. Der Austausch bekannter Menschen in einer amerikanischen Kleinstadt wird erst wahrgenommen, als sich das in der Öffentlichkeit als „Grippevirus“ deklarierte Symptom als Alien-Angriff herausstellt.

Eine Parallele zum modernen „Gender-Mainstreaming-Wahn“ und dem Austausch von geschlechtsspezifischen Rollen ist nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn andere Kritiker im Film „Invasion“ keinen politischen Subtext erkennen können, hinterläßt der im letzten Drittel sehr aktionsgeladene und auf das amerikanische Publikum schielende Film einen Rest von Nachdenklichkeit.

„Invasion“ (2007) läuft in deutscher Erstausstrahlung am 28.11.2010 (Sonntag) um 20.15 Uhr auf RTL.

Foto: Aktionsgeladen: Für Nicole Kidman heißt es wachbleiben, um überleben zu können, nachdem ein Raumschiff mit Außerirdischen gelandet ist

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