© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/10 26. November 2010

Zeitschriftenkritik: Lebens(t)räume
Geist der Zusammengehörigkeit
Werner Olles

Man mag es kaum glauben, aber Thilo Sarrazins Thesen haben inzwischen sogar Eingang in realitätsnahe Bereiche der esoterischen Publizistik gefunden und werden dort durchaus ernsthaft diskutiert. So in der aktuellen Ausgabe (Nr. 10/10) von Lebens(t)räume, des zehnmal jährlich erscheinenden Magazins für Gesundheit und Bewußtsein.

In seinem Beitrag „Individuum, Gemeinschaft und Nation in Zeiten ‘sarrazinischer’ Verwirrung“ sieht Johannes Heinrichs die nationale Kultur als „letzte Gemeinschaftlichkeit auf staatlicher Ebene“ heute von zwei Seiten bedroht: „einmal von der kulturellen Globalisierung, durch die kritik- und vorbehaltlose Übernahme der angloamerikanischen Weltsprache“ und auf der anderen Seite „durch die kulturelle Überfremdung solcher Migranten, die nicht wirklich integrationswillig sind“. Zwar argumentiere Sarrazin „stark wirtschaftlich und statistisch“, doch gehe es ihm letztlich darum, „daß wir auch in hundert Jahren hier noch Deutsch sprechen, und zwar nicht bloß in den Nischen der ‘alten’ Deutschen, sondern als gemeinsame Landessprache“.

Als wichtigstes Kulturprojekt Deutschlands sieht der Autor „die Erhaltung der deutschen Sprache sowie eines von ihr transportierten Geistes der geschichtlichen Zusammengehörigkeit aller Deutschen“. Zwar können die Einwanderer ihre jeweiligen „Landsmannschaften“ weiterpflegen, doch bewußt als Sekundärkulturen gegenüber den territorialen Primärkulturen, da ohne diese Hauptregel der letzte Gemeinschaftscharakter der Nationen zerfällt.

Als „nicht sinnvoll“ sieht er daher auch eine grundsätzliche Unterscheidung von Integration und Assimilation an. Vielmehr müsse die kulturelle Integration in der nächsten Generation zur Assimilation werden. Daß von Seiten der politischen Klasse weder ein scharfer Protest noch eine Klarstellung erfolgten, sondern nur ein unbestimmtes Naserümpfen der Kanzlerin, als der türkische Ministerpräsident Erdogan seine ehemaligen Landsleute aufforderte, treue Türken zu bleiben, zeige die ganze Unsicherheit in Sachen nationaler Gemeinschaft. Stattdessen werde im Gewand der Fortschrittlichkeit mit dem mehrdeutigen Schlagwort „Multikulturalität“ hantiert. All dies habe das Buch Sarrazins „dankenswerterweise drastisch vor Augen geführt“, während „die bestallten Soziologen und Politologen mehrheitlich nicht minder lebens- und volksfern als die Politiker sind“ und jegliche nationale Gemeinschaftlichkeit immer noch dünkelhaft leugnen.

In seinem Aufsatz „Erziehung neu denken lernen“ beschäftigt sich Werner Lauff unter anderem mit der Umwandlung der erzieherischen Aufgabe von Eltern in eine rein organisatorische, die erst gar nicht in Erwägung zieht, daß die Zeugung von Leben gleichsam ein Versprechen der Erziehung zum Leben mitenthält. Heute propagiere man hingegen die Segnungen eines von Kindern unabhängigen Lebensstils.

Kontakt: Lebens(t)räume. Johanniterhof, Stumpenstr. 1, 78052 Villingen-Schwennnigen. Das Einzelheft kostet 3,50 Euro, das Jahresabonnement 30 Euro.  www.lebens-t-raeume.de

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